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I.
Die ursprüngliche Gottesebenbildlichkeit des Menschen.


§ 12.
Die anerschaffene Gottesebenbildlichkeit.

 Die Gottesebenbildlichkeit des Menschen ist eine Thatsache der Schöpfung: 1. Mos. 1, 26. 27: „Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei (in unserm Bilde, nach unserer Ähnlichkeit).“ „Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn (im Bilde Gottes).“ 1. Mos. 5, 1: „Da Gott den Menschen schuf, machte er ihn nach seinem Gleichnis (in der Ähnlichkeit Gottes).“

 Die Stellen des Neuen Testaments, die von dem Ebenbilde Gottes handeln, ruhen auf den alttestamentlichen, es gehören aber unmittelbar hierher nur 1. Kor. 11, 7 und Jak. 3, 9, wo des göttlichen Ebenbilds einfach Erwähnung geschieht; dagegen Col. 3, 10 (Eph. 4, 24) nur mittelbar.


§ 13.
Die doppelte Seite der Gottesebenbildlichkeit.

 Die Gottesebenbildlichkeit macht des Menschen eigentümliche Natur aus. Was das Ebenbild Gottes sei, ist nirgends in der Schrift ausdrücklich gelehrt. Verwandte Aussprüche finden sich im Neuen Testament, welche die allgemeine Gottesverwandtschaft der Menschen bezeichnen, wie Akt. 17, 28. 29: „Wir sind seines Geschlechts; so wir denn göttlichen Geschlechts sind etc.“ Sonst muß die Einsicht in die Gottesebenbildlichkeit teils aus den wenigen Andeutungen in der Schöpfungsgeschichte, teils aus der Erfahrung, teils durch Rückschluß gewonnen werden von der Ebenbildlichkeit, die der Mensch in Christo durch die neue Geburt wieder erlangt und die ihm als Ziel der Hoffnung vorgehalten wird. Man unterscheidet im Ebenbild Gottes eine substantielle und eine ethische Seite. Die erstere ist die Basis und Form für die letztere. Sie besteht in der freien Persönlichkeit des Menschen, womit die sittliche Anlage des Menschen zugleich gegeben ist. Die ethische Seite des göttlichen Ebenbilds ist der wesentliche Inhalt dieses Begriffs und besteht in der Weisheit, Heiligkeit und Seligkeit des göttlichen Lebens, welche der Mensch in kreatürlicher Abbildlichkeit besaß.