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Entbehrung der Leiblichkeit ist für die Seele ohne allen Zweifel eine schmerzliche Empfindung, es mangelt ihr ja ihr gottgeschaffenes ὄργανον, mit welchem sie gemeinsam ihre irdische Geschichte durchlebt hat. Es erweckt dieser Mangel in der seligen Seele die Sehnsucht nach Wiedererweckung ihres Leibes, wie man aus Apok. 6, 10 sehen kann. Es wird der Zustand der ihres Leibes entkleideten Seele mit dem Ausdruck „nackt“ bezeichnet, 2. Kor. 5, 1 ff. besond. v. 3, indem hier das Sterben immer ein Ausziehen genannt wird. Das erweckt ja das Gefühl der Unvollkommenheit trotz der bereits von der Seele empfundenen und genossenen Seligkeit. Die Hauptsache ist und bleibt ja freilich die Seligkeit der Seele; doch ist die Fülle des Todestrostes, den die heilige Schrift gibt, damit nicht schon erschöpft, sondern die Schrift tröstet mit der Hoffnung der Auferstehung und Verklärung des Leibes; das ist erst der volle Todestrost. Dafür siehe unten.  – Weiter ist nun zu reden von der Wirkung, welche diese Hoffnung auf das Gemüt des Christen ausübt. Diese Hoffnung verhilft dem Christen vor allem zu einem ruhigen, getrosten, ja fröhlichen Sterben. Denn wer wollte nicht mit Freuden die Fremde mit der Heimat vertauschen? Die natürliche Bitterkeit des Todes wird überwogen von dem Gedanken heimzukommen, und das um so mehr, je mehr der Christ die Welt als ein Jammerthal hat müssen kennen lernen, je stärker er in ihr seine Fremdlingschaft gefühlt hat. Der sterbende Christ weiß seine Seele geborgen in Gottes Hand, das ist das Entscheidende, des tröstet er sich. Der arme Leib wird ja freilich in Staub zerfallen, aber zu seiner Stunde wird der HErr ihn suchen und aus dem Grab hervorrufen zur Teilnahme an den Freuden der seligen Ewigkeit.


2. Die volle Erfüllung der Christenhoffnung.

 a) Die volle Erfüllung der Christenhoffnung hebt an und wird gebracht mit der Wiederkunft Christi. Sie heißt Tit. 2, 13 die selige Hoffnung der Christenheit. Eben die sichtbare Erscheinung des HErrn vor aller Welt in seiner Herrlichkeit zur Vollendung seines Reiches ist der Gegenstand dieser Hoffnung. Nach der Schrift haben wir eine zweifache Wiederkunft des HErrn zu unterscheiden, einmal zur Vertilgung des Antichrists und dann zum Jüngsten Gericht und zur schließlichen Vollendung seines Reiches. Die erste Wiederkunft Christi bringt bloß vorläufigen Abschluß und bloß vorläufige Vollendung. Im Hoffnungsleben