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wenn der Glaube an das Wort Gottes erschüttert ist, so fällt dem Menschen der einzige Halt hin und dann ist kein Aufhalten mehr; dann gebiert die Lust, nachdem sie empfangen hat, die sündige That. (Die Aufeinanderfolge der einzelnen Momente war nach der Erzählung der Genesis bei der ersten Sünde, im Gegensatz zur jetzigen Sachlage, die umgekehrte; sie begann mit dem Zweifel an Gott und seiner Güte.)

 Größe des Falls. Wenn man freilich den ersten Menschen wie ein Kind ansieht, dann begreift sich’s, weshalb man die erste Sünde in eine Reihe stellt mit der Naschhaftigkeit eines Kindes. Es gilt, hier eine menschenwürdigere Betrachtung anzustellen. Wir müssen bedenken, daß das Verbot, von der Frucht dieses Baumes zu essen, für den Menschen die einzige für ihn gezogene Schranke war. Mithin konzentriert sich bei ihm die ganze Möglichkeit sittlichen Verhaltens in dies einzige Gebot Gottes; das war sein ganzes Gesetz. Wenn wir das bedenken, dann tritt uns schon die Größe des Falls entgegen. Es ist die widergöttliche Selbstbestimmung des Menschen in dem entscheidenden Fall, in der einzigen Probe, die ihm gestellt wurde. Aber es stellt sich die Größe der Sünde noch deutlicher heraus, wenn wir bedenken, was alles in dieser That Adams lag. Sie war:

 1. eine That des Unglaubens; denn der Mensch glaubt dem Versucher, der Schlange, mehr als Gott;

 2. eine That des Ungehorsams, der direkten Entgegensetzung des menschlichen Willens gegen den göttlichen, eine direkt widergöttliche Selbstbestimmung des Menschen;

 3. eine That des schnöden Undanks. So lohnt der Mensch die Güte Gottes, die er so reichlich erfahren hat, die ihn in den Garten Eden gesetzt hatte, der ausgestattet war mit aller Fülle irdischer Güter. Furcht Gottes, Glaube an Gott, Liebe zu Gott: das alles hat er verleugnet, indem er diese Sünde beging, und so ist sie freilich groß und schwer.


§ 19.
Die unmittelbaren Folgen des Falles für den ersten Menschen. Die Reaktion der göttlichen Gerechtigkeit.

 Sie bestehen:

 I. In sittlichen Folgen:

a) negativ in dem Verlust des göttlichen Ebenbilds, nämlich des Besitzes der Heiligkeit, Wahrheit und Seligkeit, die in der Gemeinschaft Gottes bestand;