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§ 21.
Zustand des liberum arbitrium.

 Von der Freiheit (liberum arbitrium, worunter man die Kräfte der Erkenntnis und des Willens zugleich versteht, wozu aber auch das Gefühl zu rechnen ist) ist zu sagen, daß der Mensch den Gebrauch derselben gänzlich verloren hat für göttliche Dinge. Es fehlt ihm dafür alles Licht und alle Kraft; Eph. 5, 8: „Ihr waret weiland Finsternis etc.“ und Eph. 2, 1: „Da ihr tot waret durch Übertretung und Sünde etc.“. Es fehlt ihm alle Lust am Göttlichen und Feindschaft wider Gott wohnt in seinem verderbten Herzen (Kol. 1, 21; Eph. 4, 18). Er hat nicht die Freiheit, d. i. die Macht, Gott recht zu erkennen und sich wieder zu ihm zu wenden, so daß die verlorene Gemeinschaft wieder hergestellt würde. Dagegen ist der Mensch ohnmächtig und gebunden, was diese Seite betrifft; er ist in Sündenknechtschaft. Joh. 8, 34: „Wer Sünde thut etc.“ Das Vermögen der Freiheit, sich zu entscheiden, hat der Mensch nach wie vor, die formale Freiheit; aber der Gebrauch nach der einen Seite ist durch die Sünde gebunden. Nach der Seite des Bösen kann er das Vermögen völlig gebrauchen und wählen zwischen böse und böse, d. h. das eine Böse lassen und das andere thun, und sich gegen die göttliche Gnade verschließen. Akt. 7, 51: „Ihr Halsstarrigen und Unbeschnittenen an Herzen und Ohren etc.“

 Dagegen hat der natürliche Mensch „einige“ Freiheit (Conf. Aug. XVIII) in den Dingen, die das gegenwärtige Leben betreffen; er thut Gutes, d. h. Nützliches, als da sind Leistungen in Künsten und Wissenschaften, in Handel und Gewerbe etc., und da sind seine Leistungen groß, ja staunenswert. Es zeigt sich da etwas von seiner angeborenen Herrscherwürde auch in seinem gefallenen Zustand. Es vermag der natürliche Mensch aber auch etwas in sittlich Gutem, Röm. 2, 14: „Die Heiden thun von Natur des Gesetzes Werk,“ wenn er es auch nicht weiter bringt als zu einer bürgerlichen Gerechtigkeit (justitia civilis) und zur Ausübung einzelner Tugenden, die oft glänzend sein können. Aber das Herz bleibt doch ungeändert und Gott mißfällig. Auch eine natürliche Religion hat der Mensch, eine gewisse Gotteserkenntnis, Röm. 1, 19: „Daß man weiß, daß Gott sei, ist ihnen offenbar,“ auch Röm. 1, 32: „Gottes Gerechtigkeit wissen sie, daß, die solches thun (nämlich die genannten