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bei den Dichtern, namentlich bei Äschylus und Sophokles findet sich eine ernste sittliche Weltanschauung in ihren vollendeten Dramen. Es ist der Gedanke ergreifend dargestellt, daß die Sünde eine Sühne verlangt, und daß es im Einzelleben eine höhere Vergeltung gibt. Bei den großen Dichtern und Philosophen erscheint die Sittlichkeit getragen von der Religion. Die Römer haben in Bezug auf ethische Erkenntnis nichts geleistet.

 Was nun das sittliche Leben betrifft, vorerst bei den Griechen, so herrscht bei ihnen eine heitere Lebensansicht. Der alles beherrschende Gedanke ist die Schönheit der Form. Bei dem vorherrschend leichten Sinn des griechischen Volks fehlt es aber doch nicht an sittlichem Lebensernst. Ein Sokrates stirbt den Tod des Weisen um der Wahrheit willen. Um die Zeit des Sokrates ist eine Wendung eingetreten: das irdische Leben als Todeszustand betrachtet; Befreiung vom Leib als Leben. – Vollkommener Gegensatz in den Anschauungen, wenn man Homer und die Philosophen einander gegenüberstellt. – Bei den Griechen zeigt es sich, was für eine Macht in der freien Entwicklung eines Volkes liegt. Sie erringen sich nicht nur ihre selbständige Existenz gegenüber mächtigen Feinden; es konnten sich auch auf diesem Boden alle geistigen Kräfte so entfalten, daß sie in Kunst und Wissenschaft eine geistige Höhe der Bildung erreichten, welche allen folgenden Jahrhunderten als unentbehrliche Unterlage dient.

 Die sittliche Leistung der Römer, die, was die Bildung betrifft, auf den Schultern der Griechen standen, liegt auf einem anderen Gebiete. Es ist die praktische Ausbildung und Durchführung der Idee des Rechtes und des Staates. Wenn sich auch die Griechen in Bezug auf Gesetzgebung und Staatsverfassung auszeichneten, und wenn namentlich in den einzelnen Staatsgesetzen sich der sittliche Geist des Volkes aussprach, so war das doch in viel höherem Maße bei den Römern der Fall. Die römischen Gesetze stehen noch heute in Geltung oder in Ansehen, und die römische Staatsweisheit muß als einzig in ihrer Art angesehen werden und dient in vieler Beziehung den Lenkern der Staaten zum Muster. Darauf beruht auch die Größe des römischen Volkes und ihre Weltherrschaft. Der Grundzug der alten Römer war die Gottesfurcht. Das religiöse Leben ist ihnen Grundpfeiler des staatlichen. Ihre Religion und Sittlichkeit ist reiner als bei den Griechen. Opfer und Gebet und sonstige religiöse Handlungen geben dem öffentlichen und dem privaten Leben eine besondere Weihe. Daneben findet sich Strenge der Sitten,