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 Die älteren Theologen, die lutherischen und mittelalterlichen, zum Teil auch die neueren, sehen in dem Gewissen eine Thätigkeit des Verstandes (Melanchthon: conscientia est syllogismus practicus), bei dem das Gesetz oder das Wort Gottes den Obersatz bildet; den Untersatz und Schlußsatz bildet dann die Anwendung, welche die gute Handlung billigt, die Sünde verdammt. J. Gerhard führt folgendes Beispiel dafür an: Wer ein gottloses Leben führt, wird den Zorn des rächenden Gottes zu fühlen bekommen. Ich habe ein gottloses Leben geführt, also etc. Neuere machen einen moralischen Gefühlssinn daraus oder einen sittlichen Trieb. Während so das Gewissen eine fast bloß menschliche Thätigkeit wird, hat es auch an der entgegengesetzten Verirrung bis in die neueste Zeit nicht gefehlt, daß man aus dem Gewissen etwas rein Göttliches im Menschen macht, einen innewohnenden Gott oder eine unmittelbare Gotteswirkung, eine Gottesstimme im Menschen. Die erste Auffassung übersieht das Übermenschliche am Gewissen, die über dem Menschen stehende Autorität und Macht desselben. Die andere Auffassung hebt die Einheit des menschlichen Bewußtseins auf und bringt ein fremdes Element ins menschliche Geistesleben, läßt auch vollkommen unerklärt, wie das Gewissen getrübt (korrumpiert) werden kann. Es ist klar, daß die Wahrheit in der Mitte liegt. Es muß das Gewissen ebenso etwas Menschliches wie Göttliches sein. Es kann aber das Gewissen nichts anderes sein als der menschliche Geist selbst in seinem geheimen Lebenszusammenhang mit Gott, der ursprünglich in der Schöpfung gesetzt ist. Demnach wäre das Gewissen das Bewußtsein um diesen Lebenszusammenhang und namentlich um die Abhängigkeit des Menschen von Gott. Da jedoch in der Sphäre des Gewissens die Idee Gottes hinter der des Sittengesetzes (s. Anm.), der absoluten Norm des sittlichen Handelns, zurücktritt, so können wir (nach Delitzsch, Biblische Psychologie p. 137 ff.) das Gewissen bezeichnen als „Das wirksame Bewußtsein des Menschen um ein ihm als absolute Norm seines sittlichen Handelns geltendes Gesetz.“ Ähnlich ist die andere Definition von Delitzsch: „Das Gewissen ist das fort und fort in Form des Triebes, Urteils und Gefühls sich bezeugende Wissen um das, was Gott will und nicht will,“ wofür man richtiger sagen würde: „was recht und unrecht ist“ (um das Vorhandensein eines göttlichen Willens, gebietenden und besonders verbietenden).

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 Wesentlich nicht verschieden hiervon ist die Definition Schlottmanns: