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kommt, daß, was allgemein sittlicher Natur ist im Alten Testament, direkt oder indirekt im Neuen Testament bestätigt und bekräftigt wird. Doch läßt sich diese Scheidung des Sittengesetzes vom übrigen Gesetz nicht mechanisch vollziehen. Es kommt mitten in dem Sittengesetz (den zehn Geboten) eine Bestimmung vor, die ceremonialgesetzlich ist: das dritte Gebot. Da erwächst die Aufgabe, dieses seiner temporären und lokalen Bestimmung zu entkleiden und den jenem zu Grunde liegenden allgemeinen Gedanken, den Geist und die Absicht des Gebots, zu finden d. h. es christlich umzudeuten; vgl. Luthers Auslegung des dritten Gebots. Spuren dieser Verallgemeinerung und geistlichen Umdeutung finden sich schon in den Propheten; Jes. 58, 13, und JEsus sagt: „Des Menschen Sohn ist ein Herr auch des Sabbaths“, Matth. 12, 5; der Sabbath ist als Mittel zum Zweck, nicht als Selbstzweck bezeichnet Mark. 2, 27. Der Ruhetag nach sieben Arbeitstagen ist eine Naturordnung; die Naturordnungen machen sich auch im Leben der Christenheit als solche geltend (Verhältnis von Mann und Weib, 1. Kor. 11). Er ist eine wohlthätige Naturordnung: „Er hat euch den Sabbath gegeben“, 2. Mose 16, 29. So haben auch einzelne Gebote strafrechtliche Bestimmungen bei sich, die nur für die alttestamentliche Zeit passen, z. B. daß ungehorsame Kinder gesteinigt werden sollen, 5. Mos. 21, 21 etc. Andere scheinbar spezielle und temporäre Gesetzesbestimmungen, wie die verbotenen Verwandtschaftsgrade, Lev. 18 und 20 sind, wenn man der rein jüdischen Leviratsehe ihre eigene Stellung anweist, nicht minder wie die Todesstrafe für die Mörder von Seite der Obrigkeit, 1. Mos. 9, 6 cf. Röm. 13, 4, allgemein sittlicher Natur oder geben Grundbestimmungen der allgemein sittlichen Weltordnung, die Gott nicht ungestraft verletzen läßt. Die letztere Bestimmung ist nicht eine einfache Forderung des Sittengesetzes, sondern eine Bestimmung des göttlichen Strafrechtes, in dem sich das Grundgesetz der göttlichen Gerechtigkeit geltend macht, das jus talionis: „Seele um Seele, Auge um Auge, Zahn um Zahn“, 2. Mose 21, 23; 3. Mose 24, 17. 20; 5. Mose 19, 21. Das geht sogar auf die Tiere über, 2. Mos. 21, 28. Darauf ruht auch das Verfahren in denjenigen Fällen, wo sich die strikte Wiedervergeltung nicht durchführen läßt, cf. 2. Mos. 21, 28. 30. 32. Alle diese einzelnen Rechtsbestimmungen, die natürlich für uns keine Geltung mehr haben, haben keinen anderen Zweck als das Grundgesetz der sittlichen Weltordnung oder der göttlichen Gerechtigkeit, nämlich einer genau der Sünde