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entsprechenden Strafe oder Wiedervergeltung, bis ins Kleinste hinein durchzuführen und einzuprägen. Die einzelnen positiven Strafbestimmungen des mosaischen Gesetzes binden uns nicht mehr; aber der Geist, der darinnen ist, der leitende Grundsatz, ist eine ewige, unumstößliche Wahrheit, ein Grundgesetz des göttlichen Rechts, das für unser sittliches Urteil, namentlich wo es gilt, menschliche Rechtsbestimmungen festzusetzen oder zu beurteilen, maßgebend sein muß. Was die Todesstrafe betrifft, so hat die Ethik die Aufgabe, an ihrem Ort sie als allgemein giltige göttliche Rechtsbestimmung aus der Natur der speziellen Sünde zu rechtfertigen und nachzuweisen, wie überhaupt bei allen festzuhaltenden speziellen Bestimmungen des Alten Testaments die Allgemeinverbindlichkeit genau nachzuweisen ist.

 Was das Ceremonialgesetz betrifft, so ist keine seiner Satzungen mehr für uns gültig. Der Apostel rechnet sie zum ABC in der Schule der religiös-sittlichen Erziehung der Menschheit, Gal. 4, 3. 9; Kol. 2, 8. 20. Der wichtigste Bestandteil des Ceremonialgesetzes ist das Opfergesetz.

 Das ganze Opfergesetz ist durch Christum aufgehoben, weil durch ihn erfüllt, aufgehoben, nicht in dem schlechten Sinn des Abgeschafften, sondern aufgehoben im guten Sinn, d. h. auf eine höhere Stufe erhoben, weil der Typus durch die Erfüllung im Antitypus auf eine höhere Stufe erhoben wird und somit aufhört, eine selbständige Bedeutung zu haben. Das ganze Gesetz war innerlich bereits entkräftet und entleert, nur zur hohlen Form herabgesunken, als Christus sein Opfer am Kreuz vollbrachte. Mit dem „es ist vollbracht“ ist das Opfer von der gewissen Realität, die es im Alten Testament hatte, entkleidet. Äußerlich ist dies hervorgetreten an der Zerreißung des Vorhangs und an der Zerstörung Jerusalems und des Tempels.

 Fortgehende Bedeutung haben die Bestimmungen des Ceremonialgesetzes nur als Typen und man hat sie mit Recht als ein in Bilderschrift geschriebenes Evangelium angesehen. Es spiegelt sich darin das ganze Werk der Erlösung und die christliche Heilsordnung. Sie dienen auch fortwährend der christlichen Kirche zur Veranschaulichung und Erläuterung innerer Vorgänge und liefern auch im einzelnen manchen wichtigen Beitrag zum Verständnis des neutestamentlichen Heilswerkes, wie denn überhaupt vom Lichte des Neuen Testaments beleuchtet das Alte Testament fortwährend eine sehr wichtige Erkenntnisquelle für göttliche Wahrheiten ist. Damit hängt die Seite zusammen, die hier hervorgehoben werden muß, wo es sich um Offenbarung göttlicher