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göttliche Ebenbild wiederhergestellt worden. Er, der nach Hebr. 1, 3 in absolutem Sinn der Abglanz der göttlichen Herrlichkeit und das Ebenbild des Vaters ist, bildet nun auch das göttliche Ebenbild der Menschheit ein, zunächst eben der von ihm angenommenen Menschheit. Er wird deshalb als der bezeichnet, in welchem die göttliche Idee der Menschheit, deren Verwirklichung in dem ersten Adam durch den Fall vereitelt wurde, wiederhergestellt ist, als der zweite Adam, als der Idealmensch, der Menschensohn, so z. B. Röm. 5, 14, wo der erste Adam genannt wird der τύπος τοῦ μέλλοντος, das Vorbild auf den zukünftigen zweiten Adam, 1. Kor. 15, 45. Wie Christus von Ewigkeit her das wesentliche Abbild des Vaters ist, so ist er auch in seiner angenommenen Menschheit das vollkommene Ebenbild des Vaters.

 Die Voraussetzung für die Wiederherstellung des göttlichen Ebenbildes in der Menschheit durch Christum ist:

  1. selbstverständlich die Menschwerdung; denn ethische Bedeutung kann das Leben Jesu nur haben, wenn er unsresgleichen geworden ist, sodann
  2. die vollkommene Gleichheit seiner menschlichen Natur mit der unsrigen, abgesehen von der Sünde,
  3. die Entäußerung, die äußerste Selbstbeschränkung der Gottheit, welche nötig war, um eine ethische, menschliche Entwicklung zu ermöglichen.

 1. Wenn das göttliche Ebenbild in Christo zunächst wieder hergestellt werden sollte, so mußte er Mensch werden, denn nur so ist ja gleichsam der Stoff vorhanden, in welchen das göttliche Ebenbild geprägt werden soll. Als Gott ist er ja freilich das Ebenbild Gottes, aber das wesentliche; soll er aber das göttliche Ebenbild im Menschen darstellen, so muß er menschliche Natur annehmen, und zwar eine der unsrigen gleichartige Natur, weswegen es nötig war, daß er auf dieselbe Weise Fleisches und Blutes teilhaftig wurde, wie die Kinder, nämlich durch die Geburt; denn nur so war es möglich, daß er eingefügt wurde in den Organismus der Menschheit (Hebr. 2, 14). Wäre er geschaffen durch unmittelbare Schöpferthat Gottes, so wäre er nicht unser Fleisch und Blut.

 2. Er hat einen uns wesensgleichen Leib und eine der unsrigen wesensgleiche Seele angenommen. Es werden ihm auch die geistigen Kräfte der Seele zugeschrieben, auch ein menschlicher Wille und alles, was zum geistigen Wesensbestand des Menschen gehört. Wir sehen