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mit seiner Forderung: Suchet, was droben ist, da Christus ist, zur Rechten Gottes, als ein Bau in die Wolken, oder als unbequemes Hindernis der Kultur. Man will dem Diesseits uneingeschränkt seine Kraft widmen und erwartet als Arbeitslohn von diesem volle Befriedigung; ja, man sucht, ich nenne Männer wie Dühring, Druskowitz, in der Arbeit für dieses, durch welche die Menschheit zu immer größerer Vollkommenheit und Glückseligkeit gebracht werden soll, einen Ersatz für das Christentum, ja die das Evangelium weit überragende Religion der Zukunft. Unter den mancherlei Gründen für diese Erscheinung steht nicht zuletzt der, daß die ungeheuren Erfolge in der Beherrschung der Natur und ihrer Kräfte eine jugendlich ideale Überschätzung ihrer Ausbeute bewirken, als werde nun alles, alles sich wenden und durch den menschlichen Geist, als den Gott der Erde, auf dieser das Paradies geschaffen werden. Aber laut genug grollt in solche Erwartung der Pessimismus hinein, ein ernster Mahner, daß der Mensch vom Diesseits allein nicht leben kann. Gegenüber der alten Erfahrung, daß jede Kultur fault, wenn sie nicht durch das Salz der Religion gewürzt und gesund erhalten wird, darf die Kirche auf neue Beachtung ihrer Verkündigung an die Seelen und ihrer Forderung hoffen, das irdische Dasein unter das Licht der jenseitigen Zukunft zu stellen. Je angespannter und aufreibender der Kampf des Lebens und das Ringen um der Zeit Güter wird, um so mehr ist Sammlung und Stärkung des inneren Menschen nötig, soll nicht der Kampf zur Qual werden und dem Ringen zuletzt die geistige Kraft fehlen. Und das Licht von oben erhellt und belebt die Arbeit im Diesseits, es rückt sie in einen großen Zusammenhang hinein. Denn auch die Erde ist eine der vielen Wohnungen im Hause unsres Vaters und soll nach seinem Willen eingerichtet werden; über den Boden unsrer Geschichte schreitet das Reich Gottes, um alles unter die Gedanken des Ewigen zu verfassen. Und um so weniger kann die Wissenschaft das Recht, nach dem Jenseits auszuschauen und zu diesem emporwachsen zu wollen, aus unsrer Kultur vernichten, als sie ja selbst das Walten eines Gesetzes, eines Willens im Universum und dieses als ein

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Friedrich Meyer: Die Kirche und die moderne Zeit. Georg Wigand, Leipzig 1898, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_Meyer_-_Die_Kirche_und_die_moderne_Zeit.pdf/13&oldid=- (Version vom 10.7.2016)