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Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267

zwei Weiber am Leben waren, und daß das ganze Land im Anbau zurück kam. In Bamberg begann 1625 eine bis 1629 dauernde Hexenverfolgung, welche über 900 Menschen das Leben kostete; darunter befanden sich die angesehensten Personen, ein Kanzler mit Frau, Sohn und zwei Töchtern, zwei Bürgermeister, zwei-und-zwanzig sieben- bis neunjährige Mädchen. Das Unwesen ward so arg, daß sogar Kaiser Ferdinand II., der in seinen Erblanden und in Böhmen furchtbar gegen Ketzer verfahren war, hemmend einschreiten mußte, Eben so schauderhaft ging es in Würzburg zu, wo unter dem Bischof Philipp Adolf von Ehrenberg von 1627 bis 1629 gegen 900 Personen als Hexen und Zauberer verbrannt oder mit dem Schwert hingerichtet wurden, unter ihnen mehrere Vornehme von Adel beiderlei Geschlechts, vier Chorherrn, vierzehn Dominikaner, eine Bürgermeistersfrau, die schönste Jungfrau der Stadt, mehrere Rathsherrn, sogar der nächste Verwandte des Bischofs und lezte Sprößling seines Stammes, der vierzehnjährige ausgezeichnete Jüngling Ernst von Ehrenberg, viele Kinder von neun bis zwölf Jahren und noch jüngere. Die Schulen wurden geschlossen, und es kam so weit, daß sogar der Bischof und sein eigener Kanzler von den Gefolterten als Mitschuldige angegeben wurden. Jezt erst scheinen dem Kirchenfürsten die Augen aufgegangen zu seyn; er that der Verfolgung Einhalt und stiftete zum Seelenheil der Hingemordeten feierliche Gedächtnißtage bei den Augustinern in Würzburg. – Wie es zu dieser Zeit im Gebiete des deutschen Ordens in dieser Beziehung aussah, werden wir später berichten.

Als zu Ende des Jahres 1631 der dreißigjährige Krieg die geistlichen Fürsten in Franken, Schwaben und am Rhein aus ihren Ländern trieb, hatten die Hexenprozesse dort für längere Zeit ein Ende; nach dem Jahre 1660 brach aber dieses Unwesen hier und in den ritterschaftlichen Gebieten von Neuem, und zwar mit einigen veränderten Formen in den Anklagen, mit alter Wuth aus. So wurden z. B. in der Herrschaft Lindheim im Jahr 1661 dreißig Personen verbrannt, 1671 von dem berüchtigten Protestantenverfolger und Verjager, dem Erzbischof Max Gangolph von Salzburg, nicht weniger als 97 Personen als Hexen und Zauberer, in Wahrheit aber weil sie Protestanten waren, durch Feuer hingerichtet u. s. w. Sehr häufig beschuldigte man jezt die Hexen, sie hätten Mäuse, Hasen und anderes schädliche Ungeziefer gemacht; von solchen Bezüchtigungen sollen später einige merkwürdige Belege geliefert werden.

Im siebzehnten Jahrhundert hatten also, wie wir gesehen, die Hexenprozesse ihre furchtbarste Ausdehnung erhalten. Vergeblich hatten schon früher ehrenwerthe Männer, selbst von den Kanzeln herab, gegen den Hexenglauben gestritten. Als einer der Ersten muß genannt werden der Dr. juris und Sachwalter in Constanz, Ulrich Molitoris, welcher schon um das Jahr 1489, gleich nach dem Erscheinen des Hexenhammers, die Nichtigkeit des Hexenglaubens sehr bündig bewies. Johannes Wier, Leibarzt des Herzogs von Cleve, wagte in einem Buche, das in vierzehn Jahren fünf Auflagen erlebte, im Jahr 1563 den ersten offenen Angriff gegen den Unsinn der Hexenprozesse. Sein Werk trug jedoch, ob es gleich die Grundlage aller spätern Angriffe blieb, geringe Früchte, weil Alles über dasselbe herfiel und eine Unsumme von Gegenschriften erschienen. Dem ungeachtet folgten andere kühne Männer seiner Bahn. Zu nennen ist namentlich Cornelius Loos, der im Trierschen das Unwesen hatte kennen lernen; er ward eingezogen und entging nur durch baldigen Tod weitern Verfolgungen. Dr. Dietrich Flade, Bürgermeister in Trier und Rath des Kurfürsten, wurde 1589 als ein Angreifer des Hexenglaubens selbst als der Hexerei verdächtig festgenommen und hingerichtet. Gegen diese Angriffe standen neue Vertheidiger der Hexenverfolgung auf, unter ihnen, als die gefährlichsten und klügsten, die schon erwähnten Nicolaus Remigius und Martin del Rio. Ehrenvoll muß erwähnt werden, daß es jezt auch ein Jesuit wagte, die Schändlichkeit und Rechtswidrigkeit des Verfahrens bei Hexenprozessen öffentlich aufzudecken. Dieß that der Jesuit Friedrich Spee, aus dem noch jezt am Rhein blühenden Geschlechte der Grafen von Spee, der als Beichtvater in Franken das Unwesen gründlich hatte kennen lernen, als es in Würzburg und Bamberg den höchsten Grad erstieg. Er ließ, ohne jedoch seinen Namen zu nennen, in einer protestantischen Stadt (in Rinteln) sein Werk, „Cautio criminalis etc.“ betitelt, im J. 1631 erscheinen, als dessen Verfasser er erst nach seinem bald erfolgten Tode bekannt wurde. Sein Buch scheint jedoch unterdrückt worden zu seyn, denn bald gehörte es zu den größten Seltenheiten.

Endlich aber, nachdem die großen Männer Leibnitz, Spinoza, Descartes, Newton etc. neues Licht in den Wissenschaften zu verbreiten angefangen hatten, gab Balthasar Bekker, ein reformirter Prediger in Amsterdam, im Jahr 1691 seine „bezauberte Welt“ heraus, welche in zwei Monaten in 4000 Exemplaren abgesezt und bald darauf fast in alle Sprachen übersezt wurde. Er behauptete in diesem wichtigen Werke geradezu die völlige Nichtigkeit alles Zauberglaubens in seiner Totalität, und erklärte folglich nicht den einzelnen Erscheinungen, sondern dem zu Grunde liegenden Prinzipe selbst den Krieg, und dieses Prinzip liegt in der Lehre vom Teufel. Allein die Geistlichkeit, namentlich die protestantische, welche den Teufel nicht hergeben wollte, fiel von allen Seiten über ihn her, er ward von der Synode verklagt,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1844, Seite 943. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_von_Rath_Hexenprozesse.pdf/10&oldid=- (Version vom 31.7.2018)