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Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267

den Beweis, daß seine Genossen dieses Wetter zu seiner Befreiung veranstaltet hatten. Es ward ein neues Verfahren gegen ihn eingeleitet, und er nach sechs Wochen, als der Zauberei überführt, hingerichtet. – Eben so ward 1782 im Kanton Glarus eine Frau, Anna Göldin, als Giftmischerin und Hexe hingerichtet, und diese gilt als die lezte öffentlich hingerichtete Hexe; allein noch 1793 wurden in dem damals erst von Preußen besezten Theile von Polen zwei Weiber als Hexen verbrannt, bevor die neue Regierung einschreiten konnte. Erst noch in unsern Tagen haben wir erlebt, wie bei Danzig alte Weiber als Hexen lebensgefährlich mißhandelt worden sind, und im Jahr 1823 in Delden in Holland mit einer vermeintlichen Hexe die Wasserprobe vorgenommen wurde. In Frankreich, in Belgien, in Irland kommen ähnliche Scenen nur zu häufig vor, und liefern den Beweis, daß der Glaube an Hexen und Zauberei keineswegs ausgerottet ist.

Wenn auch im Allgemeinen heutiges Tages Geistlichkeit und Lehrstand nach allen Kräften gegen den noch bestehenden Aberglauben ankämpfen, wenn die Verbrechen der Hexerei und Zauberei in den Kriminalgesetzbüchern nebst den alten Foltergraden ausgestrichen sind, so sehen wir demungeachtet, daß gegen solches, von der gesunden Vernunft gebotenen Walten entgegengesezte Bestrebungen sich geltend zu machen suchen, die in ihrer vollen Consequenz nothwendig zur Wiederherstellung des gesammten alten, mit so unsäglicher Mühe ausgerotteten Greuels führen müssen. Man lasse z. B. in protestantischen Ländern die orthodoxe Reaction immer eifriger ihre alte Teufelslehre von den Kanzeln neu verkündigen, Ansichten, nach denen der Glaube an Gott und Christus wenig sagen will, wenn man nicht zugleich an den altlutherischen Teufel glaubt und den Einfluß anerkennt, durch welchen dieser stets auf der Lauer liegende Erzbetrüger den Menschen zu verführen und zu allem Guten unfähig zu machen sucht; – man lasse in immer weitern Kreisen (um uns so mild als möglich auszudrücken) die seltsamen Theorien Kerners und Eschenmeiers Zutritt finden, welche in der Seherin von Prevost, im Magicon und in andern von ihnen herausgegebenen Büchern aufgestellt sind, in denen die albernsten Gespenster- und Hexengeschichten aus dem höllischen Proteus und andern Werken ähnlichen Gelichters aufgefrischt werden; – man lasse gewisse Bestrebungen der römischen Kirche, welche Exorcismen und Teufelsaustreibungen niemals verworfen hat, festern Boden gewinnen (wir erinnern hierbei nur an das Treiben des Prinzen von Hohenlohe, an die öffentlichen Exorcismen der Jesuiten in Freiburg und in Luxemburg, und an den neuesten Unfug des Kapellan Oschwald im Badischen, welcher behauptete, alle Krankheiten rührten nur von bösen Geistern her und könnten lediglich, mit strenger Vermeidung aller andern Mittel, durch Gebet gehoben werden), man lasse, sagen wir, solche Tendenzen sich immer mehr festsetzen, man gehe das Ganze den Missionären der zahlreichen Mucker zu weiterer Verbreitung, und man wird leider die Befürchtung nichts weniger als lächerlich finden, daß in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts vielleicht Volkshaufen die Obrigkeit zwingen, ganz nach den Formen des Hexenhammers Recht in Hexensachen zu sprechen. Es ekelt, weitere Beispiele aus der neuesten Zeit anzuführen, gewiß aber ist es, daß schon jezt in manchen Gegenden nur noch der Kapuziner mit dem geweihten Sack fehlt, um den ausgetriebenen bösen Geist zu fangen und an irgend einen wüsten Ort zu bannen, wie unsere Ammen und Großmütter vor vierzig, fünfzig Jahren uns fleißigst und feierlichst zu erzählen liebten.

(Fortsetzung folgt.)
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1844, Seite 946. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_von_Rath_Hexenprozesse.pdf/13&oldid=- (Version vom 1.8.2018)