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Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267

benachbarten Fürsten auf eine Zeitlang erbeten. So finden wir in Mergentheim im Jahr 1623 einen Dr. Vasolt aus einer noch jezt in Würzburg lebenden Familie, welchen der damalige schon öfters erwähnte Bischof von Würzburg dem Deutschmeister auf einige Zeit freundnachbarlichst geliehen hatte. Dr. Vasolt verdiente in Mergentheim schweres Geld und kostete in wenigen Wochen 573 Gulden, von denen er 336 Gulden baar empfing, während das andere für Zehrungs- und Reisekosten aufging. Zur Reise von Würzburg nach Mergentheim hatte er zwei Tage verwendet und 46 fl. 47 kr. dabei verbraucht.

Die ersten Verhöre mußten nach Mergentheim gesendet werden, wo unter dem eigenen Vorsitze des Hochmeisters und in Gegenwart der höchsten Ordensbeamten, zweier rechtsgelehrten Doktoren, des Kammersekretarii und Malefizschreibers, bei wichtigeren Fällen auch unter Zuziehung noch anderer Personen, eine Art von Gerichtshof zusammentrat, dem die eingelaufenen Akten vorgelesen und von welchem beschlossen wurde, ob die Inquisiten weiter verhört, oder gleich hingerichtet, und ob andere, durch neue Aussagen verdächtig gewordene Personen gleich oder erst später eingezogen werden sollten. So heißt es z. B. „Actum den 20. Junii 1629 in praesentia Ihro Hochfürstlichen Gnaden, Herrn Kanzlers, Herrn Marschalls, Herrn Hauscompthurs, Herrn Dr. Baumanns, Herrn Dr. Kirschingers, Herrn Kapitan Herold (Commandant der Veste Neuhaus) und des Malefizschreibers Burchers – Catharina Kolbenschlägin ganze gethane Aussag (sie hatte auf der Folter Alles eingestanden) ist in Concilio referirt, abgelesen und benebst Bescheid erholet worden, wessen man ferners gegen ihr sich zu verhalten. Conclusum: sie soll zu dreien Malen ad bancum juris (d. h. in Gegenwart des Scharfrichters und der Folterinstrumente) gestellt, im Fall sie beständig, ihr endlicher Rechtstag ihr angemeldet werden“ (d. h. wenn sie nicht widerruft, so soll sie nach der in der Halsgerichtsordnung vorgeschriebenen Form peinlich angeklagt, der Stab ihr gebrochen und sie alsbald zur Hinrichtung geführt werden). – Diese Inquisitin blieb beständig; das Gegentheil würde ihr auch nur neue Folter zugezogen haben, und sie vermachte vor ihrer Hinrichtung 100 Gulden zu Seelenmessen für sich selbst.

Gegen solche Beschlüsse fand keine Appellation statt, und nur in seltenen Fällen, wenn z. B. in der zum drittenmale nur der Form wegen angestellten Vorführung und Befragung des Angeklagten sich besondere Incidenzpunkte ergaben, durfte die Exekution aufgeschoben werden. In diesen Sitzungen wurden alle das Hexenwerk betreffende Punkte abgemacht und gelegentliche Anstände erledigt, z. B. wie es mit gefangenen Weibern gehalten werden solle, wenn sie Schwangerschaft vorgäben u. s. w. Nur selten ward Rücksicht hierauf genommen; es liegen Fälle vor, wo Frauen auf der Folter geboren haben. In besonders schweren Fällen, wenn namentlich die Inquisiten ein oder mehrere Male ihre Geständnisse widerrufen und bei diesem Widerrufe beharrt hatten, wurde das Urtheil geschärft, und die unter solchen Umständen stets zum Lebendigverbrennen Verurtheilten vor der Hinrichtung noch mit glühenden Zangen gezwickt.

Einige der Geistlichen, die vor der Hinrichtung zu den Verurtheilten Zutritt erhielten, scheinen heller gesehen und diese Unglücklichen zum Widerruf ihrer Bekenntnisse veranlaßt zu haben, um sie dadurch vielleicht zu retten; denn es wird unterm 6. September 1629 befohlen: „es solle vor allen Dingen dem Decan von Markelsheim mit guter Maniera zu verstehen gegeben werden, wie Ihro Hochfürstliche Durchlaucht einen beständigen Beichtvater und Confessionarius den Verurtheilten zugeordnet wissen wollten, und sollte obgemeldter Decan nur Tröstung halber zugelassen werden. Befinde man aber, daß die eine oder die andere Person, welcher er zusprechen würde, abermals revocirte, so solle er alsdann ganz und gar und mit andern Mitteln davon absentirt werden. Es solle dagegen Hr. Stadtpfarrer in Mergentheim die Freiheit haben, sowohl die Priester in Mergentheim als andere nach seinem Belieben und Discretion zu dergleichen Personen zu ordnen, um dieselben zu trösten. Auch solle ihnen angesagt werden, wie dergleichen Revocation mit lebendig Verbrennen gestraft werden würde. Eben so sey künftig zu bestellen, wie solche Personen auf dem Wege zur Justificirung abzuhalten seyen, mit andern Personen zu communiciren.“

Wenn nicht besondere Fälle vorkamen, so waren diese Prozesse mit dem achten bis zwölften Tage, oft noch weit früher abgeurtheilt und die Inquisiten schon hingerichtet. Von den Inquisiten zugeordneten oder auch nur erlaubten Vertheidigern ist in allen Akten keine Spur aufzufinden.

Bei den im Gebiete des deutschen Ordens vorgekommenen Hexenprozessen wurde wie gewöhnlich auf die neun im Hexenhammer vorgeschriebenen Fragartikel mehr oder minder weitläufig inquirirt, wobei zu bemerken ist, daß dabei in den frühern Untersuchungen weit genauer und pünktlicher als in den spätern zu Werke gegangen wurde. Es kam lediglich darauf an, das Geständniß, daß die Angeklagten Hexen seyen, zu erpressen, sie in diesem beständig zu erhalten und Mitschuldige zu erheben. Von irgend einer andern Erhebung des Thatbestandes ist nicht entfernt die Rede. Diese Artikel begriffen ungefähr folgende Fragepunkte in sich.

(Fortsetzung folgt.)
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1844, Seite 983. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_von_Rath_Hexenprozesse.pdf/19&oldid=- (Version vom 31.7.2018)