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Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267

angeschuldigten Lasters der Hexerei entlassen worden sey, und verspricht mit schwerem Eide: 1) Daß sie gegen Niemand, der in diesem Prozeß gegen sie ausgesagt habe, oder in demselben gebraucht worden sey, sich rächen und eben so wenig auf irgend eine Art, gegen wen es auch immer seyn möge, aussagen wolle, was mit ihr während der Untersuchung vorgenommen worden. – 2) Sie widerspricht und widerruft allem Hexenwerk und verspricht, lediglich an Gott, dem Heiland etc. zu hängen und zu glauben. – 3) Sie gelobt, so bald als möglich mit besonderer Reue und Pönitenz zur Beichte zu gehen und das h. Sakrament nach aller Würde zu empfangen und dieses längstens alle drei Monate zu wiederholen. – 4) Sie verspricht, sich auf Erfordern jedesmal zu stellen und Red und Antwort zu geben. – 5) Sie verheißt sich aller ehrlichen Zusammenkünfte, als Hochzeiten, Kindtaufen, Gastereien etc. zu enthalten, ihr Haus, in das sie gebannt, nur des Gottesdienstes wegen zu verlassen und ohne obrigkeitliche Erlaubniß weder über Land noch auf Wallfahrten zu ziehen, sondern sich allweg still, eingezogen, fromm, züchtig und gottesfürchtig zu verhalten, auch geringe schlechte Kleidung zu tragen und alle Ueppigkeit und Leichtfertigkeit zu fliehen und zu meiden. Auch will sie vor keinem andern Gericht klagen; Alles bei schwerer Strafe des Meineids. – Schwerlich konnte wohl einem jungen Mädchen eine ärgere Strafe auferlegt werden.

Wir müssen noch einige Augenblicke bei der Folter und ihrer Anwendung verweilen. Mit Hintansetzung des gewöhnlichen Gerichtsgebrauchs, ward, wenn kein freiwilliges Geständniß im ersten Verhör erfolgte, oft noch in diesem, gewiß aber im zweiten zur Folter geschritten. Die Inquisiten wurden in die abgelegene, unheimliche, nur spärlich erleuchtete Folterkammer geführt, ihnen hier vom Scharfrichter und seinen Knechten die Marterinstrumente und deren Anwendung vorgewiesen, sie, wenn sie noch nicht gestehen wollten, gänzlich entkleidet, ihnen das Marterhemd angezogen und alsbald in Gegenwart des Richters, zweier Schöppen, des Gerichtsschreibers, der Alles niederschreiben mußte, und zuweilen eines Geistlichen, mit der Pein begonnen. Die gewöhnlichen Arten der Folter waren: „Daumenstock und Beinschrauben, die Leiter oder der Zug, der spanische Stuhl oder der Bock,“ welche verschiedene Foltergrade oft noch durch Brennen mit angezündeten Lichtern unter den Achselhöhlen und durch Ruthenstreiche auf den entblösten Rücken bis zu sechzig an einem Tage verstärkt wurden. Das gewöhnliche Gerichtsverfahren schrieb vor, einen Grad der Folter nie über eine Viertelstunde, alle Grade zusammen nie über eine Stunde lang dauern zu lassen. Im Hexenthurme der Burg Neuhaus fand aber solche Milde nicht statt. Die Gemarterten mußten Stunden lang im Zuge mit centnerschweren Steinen an den Füßen hängen, sechs bis zwölf Stunden lang im Bock eingespannt sitzen, so daß manche in Starrkrampf verfielen. Den Richtern war nichts ärger als fortgeseztes Leugnen. „Es ist ein Elend,“ bemerkt ein Protokoll, „daß sie alle also einhellig und übereinstimmend nicht bekennen wollen. Man hält allgemein dafür, daß sie möchten verstummt seyn.“ Durch solche Mittel mußte es freilich gelingen, befriedigende Antworten auf die erwähnten neun Frageartikel des Hexenhammers zu erhalten, und kaum ist es zu glauben, daß Menschen solche Qual zuweilen nicht ein, sondern mehreremale aushalten konnten, ohne sich die verlangten Geständnisse abpressen zu lassen.

Es ist schon in der ersten Abtheilung bemerkt worden, wie das konfiszirte Vermögen der Hingerichteten, nach Abzug der sehr großen Untersuchungskosten, eine bedeutende Einnahme gewährte, und wie dieser Umstand wohl nicht wenig zur Fortdauer und Steigerung dieses schauderhaften Unwesens beitrug. Hier einige Belege dazu. – Am 4. März 1605 wurden von den Erben dreier hingerichteten Personen 7702 Gulden Strafgelder eingezogen; im Jahr 1616 von 22 Hingerichteten 6630 Gulden, worunter von einer Frau 3000 Gulden; vom April bis August 1628 5857 Gulden; im Jahr 1631 in Mergentheim und Neuhaus zusammen 11,187 Gulden u. s. w. – Der schon oft gedachte Fürstbischof von Würzburg, Philipp Adolf, hatte am 14. Juli 1627 durch ein Dekret befohlen, daß von jezt an nicht mehr das ganze Vermögen der Hingerichteten, sondern, wenn Leibeserben vorhanden wären, nur ein Theil desselben konfiszirt werden sollte. Hiervon sollten alle Kosten der Untersuchung und Exekution getragen, vom Ueberreste für der Justificirten Seelenheil und Trost gesorgt werden und das Uebrigbleibende dem fürstlichen Fiskus anheim fallen. Ein ähnliches Dekret des Deutschmeisters, wahrscheinlich eine Folge des Würzburgischen, hob am 9. Januar 1629 „aus fürstlicher Milde“ in dem erwähnten Falle die Confiskation des ganzen Vermögens auf und begnügte sich mit einem Theile desselben, der aber ohne weitere Moderation einzutreiben sey.

(Fortsetzung folgt.)
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1844, Seite 994. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_von_Rath_Hexenprozesse.pdf/25&oldid=- (Version vom 1.8.2018)