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Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267

solchen Conventibus (Hexentänzen) gewesen.“[1] 2) Ist er übel berüchtigt. 3) Hat er sich flüchtig gemacht. 4) Hat er zuvörderst Ihro Fürstl. Gnaden unsern allerseits gnädigsten Herrn, und alle Assessores, so diesen Prozessen beigewohnt, ehrenrührerisch angetastet, als ob sie den Leuten zu viel thäten, und viel mehr ein Auge auf Ungerechtigkeit denn auf Justitia hätten, auch hat er solche Prozesse ein jämmerlich elendes Blutbad geheißen, als ob gleichsam die Leute mit Gewalt zum Geständniß gezwungen würden. 5) Eben so hat er gegen die Herren Verhörsrichter den unbegründeten Vorwurf ausgestoßen, als hätten sie seiner auf öffentlicher Gasse geschmäht und ihn dadurch zur Flucht veranlaßt. 6) Als Hr. Joh. Braun zu ihm auf das Neuhaus geschickt (weil er eines verkauften Pferdes halber an seine Frau zu schreiben begehrt) und verordnet worden, aufzumerken, daß nicht etwa andere Angelegenheiten mit unterlaufen und vielleicht Anderes möchte geschrieben werden, hat er, ungeachtet als eine gefangene und in der Obrigkeit Handen und Gewalt liegende Person, ohne Scheu gegen Hrn. Braunen gesagt: „Wenn man ihm die Wahl ließe, entweder seiner Banden entledigt zu werden oder den Hexenverhören beizuwohnen, wolle er lieber noch länger in denselben verweilen.“ 7) Hat er sich unterstanden, eine im Gefängniß neben ihm liegende Weibsperson, Eva Breuningerin von Apfelbach, die ganz standhaftig gewesen (d. h. die sich als Hexe bekannt hatte), abwendig zu machen, indem er gegen sie behauptet, daß es unmöglich dergleichen Leute geben könne und ihnen Recht geschehe, wenn sie sich als solche bekennten, wegen welchen Zuredens und Abwendigmachens sich die gedachte Frau gegen die Herrn Examinatoren zum Höchsten beschwert, mit Vermelden, daß sie Gott ganz treulich angerufen, damit er sie nur bei der Beständigkeit (d. h. bei ihrem Geständniß) erhalte und sie durch den Hirschwirth nicht abwendig machen lasse. Dieser Beschuldigung ist der Hirschwirth geständig gewesen, wie aus der hierüber gepflogenen Inquisition mit mehreren zu ersehen. 8) Sonst hat auch Hans Löblin (der wegen im Trunke ausgestoßener verdächtigen Reden eingezogen und nach längerer Gefangenschaft auch verbrannt wurde, dessen vorhandener Prozeß auch zu den merkwürdigen gehört) ausgesagt: „der Hirschwirth habe einst einen Bettelbuben todtgeschlagen und denselben verspeist.“ 9) Aus seiner oben angeführten Inquisition geht hervor, daß Schreiber zum Ueberfluß und ohne Scheu bekannt: „er sehe wohl, daß dieser Prozeß ein blinder Handel sey.“ 10) Schon von Jugend auf, als er noch in die Schule gegangen, ist er berüchtigt gewesen, daß er Mucken (Fliegen) machen könne, daher er den Unnamen „Mucken-Thomas“ bekommen.“

Als nun solchergestalt genugsam Ursache vorhanden zu seyn schien, um jezt in dem so lange zurückgelegten Prozesse ernstlich und peinlich fortfahren zu können, und überdieß der Stockmeister vom Neuhaus am 18. Mai berichtet hatte, daß der verhaftete Hirschwirth, ungeachtet er bei Leibes- und Lebensstrafe mit Niemand reden sollte, nichts destoweniger und trotz allen Verbietens mit den andern, wegen gleichen Vergehens verhafteten Personen fortwährend gesprochen habe, wurde am 19. Mai der unglückliche Thomas wieder in’s Verhör geführt. Klar und deutlich ergibt sich aus demselben, daß während seiner langen Gefangenschaft, in welcher er, wie wir gesehen, in vielem Verkehr mir andern Gefangenen blieb, von denen die Meisten in kürzester Zeit als Unholde hingerichtet wurden, seine schon früher so offen ausgesprochene Meinung, als existire das ganze Hexenwesen nur in den Köpfen blutgieriger Richter, jezt zur vollsten Gewißheit geworden war, und daß er dabei zugleich die traurige Ueberzeugung gewonnen haben muß, wie auch sein Leben dem scheußlichen Unwesen unwiderruflich verfallen sey. Eben so deutlich zeigt sich aber auch sein Entschluß, keiner langen Marter sich zu unterwerfen, sondern baldigst solche Geständnisse zu machen, wie sie auch bei dem beharrlichsten Widerstand ihm zulezt doch abgepreßt werden würden.

(Fortsetzung folgt.)

  1. Diese wurden schon oben angeführt.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1844, Seite 1051. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_von_Rath_Hexenprozesse.pdf/41&oldid=- (Version vom 31.7.2018)