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Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267

Hexenprozesse.
(Fortsetzung.)

Als er einst mit seiner Buhlerin ausgefahren und, wie er nicht anders vermeint, in der Pfarrkirche zu Mergentheim einen Tanz gehalten, sey auch der (früher mehrmals genannte) Gassenvogt mit des welschen Peters lediger Tochter, so etwas düpflicht (sommersprossig), zugegen gewesen und habe dabei eine Weibsperson, so ein Teufel gewesen, dazu auf der Harfe aufgespielt. Sie haben aber nichts mit einander geredet und nur getanzt. Der Gassenvogt habe vorgetanzt und höhere Sprünge, denn er sonsten gekonnt, dabei gethan; des welschen Peters Tochter habe einen langgeschwänzten pfirsichbraunen Rock angehabt. Alle Uebrigen seyen bedeckt gewesen, doch sey es ihm vorgekommen, als habe er die (hingerichtete) Gurrin lachen hören, und als er gefragt, ob sie die Gurrin sey, habe sie mit dem Kopf geschüttelt.

Unwetter habe er keine machen helfen, auch weder Vieh noch Menschen Schaden gethan, weßhalb er sich habe tribuliren und schlagen lassen müssen, denn er habe nie etwas anderes gesucht und begehrt als Buhlschaft. Auch habe er das Laster Niemand gelehrt. Sein Regelein habe er verehren und ihr einen Ring geben müssen. Eben so wenig könne er andere Gespielen angeben, denn sein Regelein habe ihm versprochen, ihn zu Mergentheim zu keinem Tanz zu führen, damit er nicht erkannt würde. Auch habe er dieß Laster nicht gebeichtet, weil seine Buhlin es ihm verboten. Der böse Feind habe ihm auch zugemuthet, sein eigenes Weib zu verführen, weil sie aber einen guten Engel bei sich gehabt, habe er es nicht in’s Werk setzen können. Das h. Sakrament habe er nie von ihm begehrt, denn er habe ihm gedroht, in solchem Falle von ihm sich loszusagen; doch habe er in seinem Leben an keinem Rosenkranze beten können. – Der Scharfrichter sey ihm 18 fl. schuldig, daran wolle er ihm 5 fl. schenken, den Ueberrest solle er seiner Frau geben und ihn gut richten. – Das Protokoll dieses Verhörs, das wir hier wörtlich gegeben haben, schließt mit den Worten: „Hierauf weint Thomas Schreiber bitterlich unter Erbietung, er wolle geduldig und gern sterben, es sey und müsse so Gottes Wille seyn. Es dauerten ihn nur seine armen Kinderlein, daß sie solche Schande und Schmach an ihm erleben sollen.“

Am 22. Mai ward Thomas abermals vorgefordert und „ganz getreulich erinnert,“ noch mehrere Mitschuldige anzugeben, und auch wegen des angeblich erschlagenen und gefressenen Bettelbuben verhört. „Lezteres,“ behauptete er, „sey nichts.“ Als Mitschuldige gibt er weiter an: die Kronenwirthin in Schwäbisch Gmünd, eine dortige Goldschmiedsfrau, die er nicht zu nennen wisse, einen Tuchmacherknappen und noch einige Andere, die er aber nicht näher kenne; ein Geistlicher sey seines Erachtens auch dabei gewesen, wenigstens habe er Kleider wie ein Geistlicher angehabt. – Weil er, was ihm jezt widerfahren, stets besorgt, habe er mit dem bösen Feind so pactirt, daß er ihn nie zu bekannten Leuten führen solle. – „Als er hierauf,“ heißt es weiter im Protokoll, „zur Tortur geführt und allbereits durch den Scharfrichter angegriffen werden wollte, ist er niedergefallen auf die Knie, hat die Hände aufgehoben und zum Höchsten gebeten, seiner um des jüngsten Gerichts halber zu verschonen, denn er wisse, so wahr er selig zu werden begehre, Niemand mehr anzugeben. Was er ausgesagt, sey die rechte Wahrheit. Er habe Niemand Unrecht gethan, darauf wolle er leben und sterben.“

Hiermit war das Verhör geschlossen. Er wurde nicht weiter peinlich befragt. Ohne im Mindesten die Wahrheit seiner Angaben zu bezweifeln oder weiter zu untersuchen, schienen seine Richter vollkommen zufrieden, ein Geständniß von ihm erhalten zu haben, das ihn ihrer Ansicht nach zum Tode führen mußte. Als er wieder in sein Gefängniß zurückgebracht war, ließ er „den Herrn Examinatoribus“ vermelden, er sey jezt lang genug hier oben gesessen, er bitte, man möge ihm sein Recht anthun lassen.

Am 25. Mai abermals vorgefordert, bleibt er seiner gemachten Aussage vollkommen getreu: „er wolle darauf leben und sterben.“ Gleiches geschah bei einem nochmaligen, am 26. Mai vorgenommenen, eben so kurzen Verhör. „Er habe Niemand Unrecht gethan, darauf wolle er standhaft verbleiben. Er traue und glaube, daß er der Seele nach allbereits selig, und nur dem Körper nach noch sterblich sey.“ – Am 28. Mai ward Thomas abermals zum Verhör geführt, und als er hier wiederum bei seinem Bekenntniß beharrte, daß er nämlich Niemand Unrecht thue und bei seinen Aussagen leben und sterben wolle, ward ihm sein Rechtstag[1] auf Mittwoch den 30. Mai 1629 durch den Stadtknecht von Mergentheim

angesagt, und er an diesem Tage nebst Jakob Weyd von


  1. Am Tage der Hinrichtung ward der Verurtheilte nach den Formen von Kaiser Karls Halsgerichtsordnung vor versammeltem Gericht öffentlich angeklagt, das Urtheil ihm gesprochen, der Stab über ihm gebrochen und er alsbald zur Exekution abgeführt.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1844, Seite 1059. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_von_Rath_Hexenprozesse.pdf/44&oldid=- (Version vom 1.8.2018)