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Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267

mit Unrecht des Hexenwerks bezüchtigt hielt. Wahrscheinlich hat Thomas diesen Brief nicht erhalten; er hätte ihn noch unglücklicher gemacht, auch würde er gewiß seiner in seinen Briefen gedacht haben. Er lautet folgendermaßen: „Daß Gott erbarm’, daß ich in so groß Herzeleid bin! Ich hätt’ nicht vermeint, daß du ein solcher Mann wärst, ich hätt’ dir anders zugetraut. Wenn ich meine kleinen Kinder anseh’, so möchte mir mein Herz zerspringen. Daß Gott erbarm’! Wenn du gesündigt, so habe Reue über deine Sünden. Bete fleißig, ich will es auch thun. Befiehl dich der h. Dreifaltigkeit, sie wird uns nicht gar verlassen. Ich hab’ Niemand, als Gott und die Obrigkeit. Ach, mein Herz möchte mir zerspringen! Ach, wenn du doch dein Kreuz ausgestanden hättest! Ich und die Kinder, sie lassen viel tausendmal gute Nacht sagen. Es ist alles traurig und eitel auf dieser Welt. Himmel und Erde muß vergehen, aber des Herrn Wort wird nicht vergehen.“

Solchergestalt endigte ein Hexenprozeß, der in mehrfacher Hinsicht unter die sehr merkwürdigen gezählt werden darf; namentlich liefert er einen Beleg für die Richtigkeit der früher von uns aufgestellten Behauptung, daß die Aehnlichkeit aller zu einer Zeit und in einer Gegend gemachten und von der Folter erpreßten Geständnisse nur auf den allgemeinen, im Volke herumlaufenden Erzählungen und Gerüchten beruhte. Wir haben in diesem Prozesse gesehen, wie ein von dem Unsinne des Hexenglaubens freier Mann nur um weiterer Pein zu entgehen, ein Bekenntniß ablegte, das allen zu jener Zeit erpreßten fast ganz gleich sah, nur mit dem einzigen, seinem Herzen große Ehre machenden Unterschied, daß er den Schauplatz der von ihm angeblich besuchten, Hexentänze nebst den dabei auftretenden Personen in eine Gegend verlegte, die dem Arme der Mergentheimer Hexenverfolger zu fern lag. Nur eine einzige seiner Angaben gründete sich auf etwas Wahres, wo er nämlich des Amtschreibers Schwester in Boxberg erwähnt; alles Andere seines einfachen Geständnisses findet sich in den übrigen gleichzeitigen Hexenprozessen vor, und zwar nicht allein in den Mergentheimern, sondern auch fast wörtlich in den gleichzeitig auf Würzburgischem Gebiete geführten zahllosen Untersuchungen.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1844, Seite 1066. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_von_Rath_Hexenprozesse.pdf/49&oldid=- (Version vom 1.8.2018)