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Walther Kabel: Geheimbünde bei den Naturvölkern. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 13, S. 213–216

Der Neueintretende hat hierbei ein Opfermesser in der erhobenen Hand zu halten, bei welchem er auch schwören muß, sobald er den Befehl erhält, sein Eintrittsrecht zu bezahlen. Das neue Mitglied muß den Vorschriften des Bundes gemäß entweder ein Mitglied aus seiner Familie oder sonst eine Person, die ihm nahe steht, gleichviel ob Mann oder Weib, oder einen Imperi zu einer bestimmten Zeit an einen bestimmten Ort schicken oder, wenn nicht anders möglich, mit Gewalt hinschleppen, sich selbst aber in letzterem Falle sofort wieder entfernen. Das unglückliche Opfer, das zumeist schon sein trauriges Ende kennt, wird sofort von den „Menschlichen Leoparden“ umringt. Der an diesem Tage mit der Vollstreckung der Abschlachtung Betraute ist mit einem Leopardenfell vom Kopf bis zu den Knieen verhüllt. Er hält in jeder Hand ein einem Dreizack ähnliches Messer mit ovalem Griffe und drei scharfgeschliffenen und äußerst spitzen Klingen, mit dem er sich seinem Opfer nähert, um ihm die „Leopardenkrallen“ von beiden Seiten in den Hals zu stoßen. Ist dies geschehen, dann wirft der „Vollstrecker“ seine Verkleidung ab und schleift den noch zuckenden Körper an den Versammlungsort, wo er sofort in Stücke zerschnitten wird. Alles Eigentum des Ermordeten geht in Besitz des Bundes über. Leute, die die Gefahr, von dem Geheimbunde abgeschlachtet zu werden, vermeiden wollen, müssen eine monatliche, sehr hohe Abgabe an die Geheimgesellschaft zahlen. Wir haben also hier nichts als eine gewöhnliche Erpressergesellschaft vor uns.

Von der Regierung der Kolonie Sierra Leone wurden gegen die „Menschlichen Leoparden“ die strengsten Maßnahmen eingeleitet und mehrere Spione nach der Insel Sherboro entsandt, denen es auch gelang, eine große Anzahl von Mitgliedern des gefürchteten Geheimbundes zu ermitteln. Diese wurden sämtlich kurzerhand aufgeknüpft. Trotzdem hat man diese Mördergesellschaft bisher nicht völlig ausrotten können.

W. K.
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Walther Kabel: Geheimbünde bei den Naturvölkern. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 13, S. 213–216. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1911, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geheimb%C3%BCnde_bei_den_Naturv%C3%B6lkern.pdf/5&oldid=- (Version vom 31.7.2018)