Seite:Geibel Ermunterung21.jpg

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     Soll ich noch mehr Quellen aufzeigen des menschlichen Elends? oder schildern das Elend, das aus jenen Quellen kommt, um euer Herz zu rühren? – Nein, ich rede zu Menschen, ich rede vor einer christlichen Versammlung, und einer solchen brauche ich nur Winke zu geben. Aber Menschen, Christen, Brüder! das frage ich euch vor dem allwissenden Gott: Liegt nicht auch in euch die Quelle des Elends? Das laßt uns alle vor dem Angesichte Gottes uns fragen: Sind nicht unsere Begierden und Leidenschaften zu mächtig in unserm Innern? Hat nicht die Welt, haben nicht weltliche Lüste uns gefangen genommen? Gehen nicht unsere Neigungen zu lebhaft nur auf sinnliche Freuden? Dürsten wir nicht zu sehr nach vergänglichem Genusse, nach Wohlleben, nach äußeren glänzenden und rauschenden Vergnügungen? Hängt nicht unser Herz zu fest an irdischen Gütern? Ist nicht unser Tichten und Trachten zu mächtig gerichtet auf Erwerb und Gewinn? Sind wir nicht vielleicht, nur an uns denkend, auf unser Fortkommen, unsern Wohlstand sinnend, ungerecht, hart, lieblos gegen unsere Brüder? Hat nicht Scheinsucht sich unserer

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Johannes Geibel: Ermunterung zur Verläugnung des ungöttlichen Wesens. Lübeck 1807, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geibel_Ermunterung21.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)