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Walther Kabel: Geld zum Fenster hinauswerfen (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 4)

Geld zum Fenster hinauswerfen, womit man bekanntlich eine zwecklose Verschwendungssucht bezeichnet, bringt nie Segen. Und doch gibt es ein wahres Geschichtchen, das das Gegenteil beweist.

Der siebenbürgische Botaniker Johann Hedwig, ein Zeitgenosse des berühmten Linné, war sehr arm und hatte während seiner Studienzeit in Leipzig mit bitteren Sorgen zu kämpfen. Schließlich erhielt der junge Student von seinem Vater ein Schreiben, in dem dieser ihm mitteilte, daß er große Verluste gehabt habe, und daß fortan auch die kleine Unterstützung wegfallen müsse, die er ihm bisher monatlich gezahlt habe. Das hieß für Johann Hedwig nichts anderes als ein Aufgeben aller seiner Pläne. Betrübt schlich er am Abend desselben Tages durch die Straßen Leipzigs, vergeblich auf einen Ausweg sinnend, wie er doch noch die Fortsetzung seiner Studien möglich machen könne.

Da hörte er plötzlich aus den Fenstern des ersten Stockwerkes eines großen Gebäudes laute zankende Stimmen herausschallen. Und in demselben Augenblick flog dem überraschten auch schon eine mit Goldstücken gefüllte Börse vor die Füße.

Der Student hob die Börse auf und schaute verwundert zu den Fenstern empor, aus denen er noch immer einen erregten Wortwechsel vernahm. Doch niemand zeigte sich, der das Geld zurückverlangt hätte. Kurz entschlossen klingelte Johann Hedwig an der betreffenden Haustür und wurde dann von einem Mädchen, dem er sein Anliegen vortrug, in das obere Stockwerk geführt, wo ihn in einem vornehm ausgestatteten Zimmer zwei ältere Herren empfingen, denen er sein merkwürdiges Erlebnis erzählte, indem er ihnen dabei die wohlgefüllte Börse zurückreichte.

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Walther Kabel: Geld zum Fenster hinauswerfen (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 4). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1915, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geld_zum_Fenster_hinauswerfen.pdf/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)