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man die Spuren eines guten Geschmacks mit Vergnügen bemerket.

Das letzte Exempel sey die Fabel von dem Wolfe und der Geis.

     Ein Geisz wolt uff ein weide gon,
Da liesz sie in dem stalle ston
Ein junge geisz, Ir tochterlin;
Zu ir sprach sie, losz nyeman in,

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Du solt die ture beslossen lon,

Harusz solt du nit gon,
Blip darinn, das ist dir güt,
So bist du vor dem Wolff behüt.
Da die geisz beslossen wart,

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Vil schier ein Wolff kam uff die fart.

Er gieng zu dem stall drugenlich,[1]
Und geborte sich glich
Der alten geisz in valschheit,
An styme, an wandel, und seit[2]

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Der jungen geisz: losz mich in,

Min trut liebes tochterlin!
Sie sprach, wer bistu stant davor?
Ich ton nit uff des stalles tor.
Min mutter hat verboten mir,

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Das ich nit usz hin kome zu dir.

Ich kenne dich wol, die stym ist falsch.
Dich hilffent weder tusch, noch welsch.
Du komest nit herin. somer got![3]
Ich wil halten das gebot,


  1. betrüglich.
  2. sagt.
  3. Somer got, oder sommer gott, ist eine Betheurung, die so viel heißt, als: Bey Gott! So wahr mir Gott helfe!
Empfohlene Zitierweise:
Christian Fürchtegott Gellert: Fabeln und Erzählungen. M. G. Weidmanns Erben und Reich und Caspar Fritsch, Leipzig 1769, Seite XXIV. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gellert_Schriften_1_A_025.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)