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die besten und kräftigsten Satyren angetroffen werden. Den poetischen Geist des Herrn Trymbergs mag ich eben nicht loben. Er hat gesunde und gute Lehrsprüche; aber hohe Gedanken und lebhafte Auszierungen wird man freylich nicht oft in seinen Gedichten finden. Wir betrachten ihn indessen itzt nicht als einen erhabnen Dichter, sondern als einen Fabelschreiber. Doch auch in dieser Betrachtung dürfte er wohl etliche Stufen unter dem Ungenannten zu stehen kommen. Ich will eine Probe von seiner Art zu erzählen hersetzen.

          Von zweyen Mülen.
     Ein Müle mit eym rädelein
Bey einem kleinen dürffelein
Hatte vor zeiten ein armer mann
Das wasser dem rädelein entrann

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Und nicht hatte seinen vollen schwang

Mit jammer es umbgieng und sangk
Als ihm des wassers not gebot:
Hilff Herre Gott, Hilf Herre Gott.
Nun war dabey ein dorff sehr groß

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Bey dem ein krefftig Wasser floß

Das trieb zwey räder fölligliche
Sie schnapten mit eynander glieche:
Hilff oder laß, Hilff oder laß,
Die Erde sey trucken, oder naß,

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So hant wir genug tag und nacht

Uns wird so mancher Sack herbracht.

     Diese mülen mögent uns wol bedeuten
Auf erden reich, und arme leute.
Unsern Herren ruffent die armen an. etc.

Empfohlene Zitierweise:
Christian Fürchtegott Gellert: Fabeln und Erzählungen. M. G. Weidmanns Erben und Reich und Caspar Fritsch, Leipzig 1769, Seite XXVII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gellert_Schriften_1_A_028.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)