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Man hat auch sein Fleisch und Blut! Unsereins ist doch einmal unselig in dieser und der anderen Welt! Ich glaub’, wenn wir in den Himmel kämen, so müßten wir donnern helfen.

Hauptmann. Wozzeck! Er hat keine Tugend, Er ist kein tugendhafter Mensch! Fleisch und Blut? Wenn ich am Fenster lieg’, wenn’s geregnet hat, und den weißen Strümpfen so nachseh’, wie sie über die Gasse springen — verdammt! Wozzeck, da kommt mir die Liebe! Ich hab’ auch Fleisch und Blut! Aber Wozzeck, die Tugend! die Tugend! Wie sollte ich dann die Zeit herumbringen? — ich sag’ mir immer: du bist ein tugendhafter Mensch, (gerührt) ein guter Mensch, ein guter Mensch!

Wozzeck. Ja, Herr Hauptmann, die Tugend — ich hab’s noch nicht so aus. Seh’n Sie, wir gemeine Leut’ — das hat keine Tugend; es kommt einem nur so die Natur. Aber wenn ich ein Herr wär und hätt’ einen Hut und eine Uhr und ein Augenglas und könnt’ vornehm reden, ich wollt’ schon tugendhaft sein. Es muß was Schönes sein um die Tugend, Herr Hauptmann, aber ich bin ein armer Kerl.

Hauptmann. Gut, Wozzeck, Er ist ein guter Mensch, ein guter Mensch. Aber Er denkt zu viel, das zehrt; Er sieht immer so verhetzt aus. Der Diskurs hat mich angegriffen. Geh’ Er jetzt, und renn Er nicht so, geh’ Er langsam, hübsch langsam die Straße hinunter, genau in der Mitte!

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Georg Büchner: Wozzeck. Frankfurt am Main, 1879, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georg_B%C3%BCchner_-_Franzos-Werkausgabe_165.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)