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den Dingen nehmen, worin sich die organische Selbst-Affirmation des Göttlichen auf einem so hohen Standpunkte manifestirt, und ihr Verhältniß zum Raum, zur Erde, zur Zeit untersuchen, meine Herren, wenn ich also diese Katze zum Fenster hinauswerfe, wie wird diese Wesenheit sich zum Gesetz der Gravitation und zum eigenen Instinct verhalten? He, Wozzeck! (brüllt) Wozzeck!

Wozzeck (hat die Katze aufgefangen). Herr Doktor, sie beißt!

Doctor. Kerl! Er greift die Bestie so zärtlich an, als wär’s seine Großmutter.

Wozzeck. Herr Doctor, ich hab’ Zittern.

Doctor (ganz erfreut). Haha! schön, Wozzeck. (Reibt sich die Hände.)

Wozzeck. Mir wird dunkel!

Doktor (erscheint im Hofe, nimmt die Katze). Was seh’ ich, meine Herren? Eine neue Spezies Hasenlaus. Eine schönere Species als die bekannten. (Zieht eine Lupe heraus.) Hasenlaus, meine Herren! (Die Katze läuft fort.) Meine Herren! Das Thier hat keinen wissenschaftlichen Instinkt. Hasenlaus, die schönsten Exemplare trägt es im Pelzwerk. – Meine Herrn! Sie können dafür was Anderes sehen. Sehen Sie diesen Menschen! Seit einem Vierteljahr ißt er nichts als Erbsen! Bemerken Sie die Wirkung – fühlen einmal den ungleichen Puls, und dann die Augen –

Wozzeck. Herr Doktor, mir wird ganz dunkel! (Setzt sich.)

Doctor. Courage, Wozzeck, noch ein paar Tage, und dann ist’s fertig. Fühlen Sie, meine Herren, fühlen Sie! (Die Studenten betasten dem Wozzeck Schläfen, Puls und Brust.)

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Georg Büchner: Wozzeck. Frankfurt am Main, 1879, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georg_B%C3%BCchner_-_Franzos-Werkausgabe_170.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)