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Mariens Stube.

Marie (allein, blättert in der Bibel). „Und ist kein Betrug in seinem Munde erfunden worden“ ... Herrgott, Herrgott! Sieh mich nicht an! (Blättert weiter.) „Aber die Pharisäer brachten ein Weib zu ihm, so im Ehebruch lebte und stelleten sie vor ihn.“ (Liest murmelnd weiter, dann mit gehobener Stimme): „Jesus aber sprach. So verdamme ich dich auch nicht, geh’ hin, und sündige hinfort nicht mehr.“ (Schlägt die Hände zusammen.) Herrgott! Herrgott! — ich kann nicht — Herrgott! gib mir nur so viel, daß ich beten kann. (Das Kind drängt sich an sie.) Der Bub gibt mir einen Stich in’s Herz. Fort! Das brüst’ sich in der Sonne! Nein komm, komm her! (Beginnt zu erzählen.) Es war einmal ein König. Der Herr König hatt’ eine goldene Kron und eine Frau Königin und ein klein Büblein. Und was aßen sie Alle? — Sie aßen Alle Leberwürst... Der Franz ist nit gekommen, gestern nit, heut nit... Mir wird heiß, heiß! (Reißt das Fenster auf.) Wie steht es geschrieben von der Magdalena — wie steht es geschrieben?.. „Und kniete hin zu seinen Füßen und weinte und küßte seine Füße und netzte sie mit Thränen und salbte sie mit Salben“... (Schlägt sich auf die Brust.) Heiland! ich möchte dir die Füße salben — Heiland, du hast dich ihrer erbarmt, erbarme dich auch meiner! — — — — — — — — — — — —

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Georg Büchner: Wozzeck. Frankfurt am Main, 1879, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georg_B%C3%BCchner_-_Franzos-Werkausgabe_192.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)