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das jüngste Kind zwischen den Knieen; auch machte er sich viel mit dem Kinde zu schaffen. So saß er einmal, da wurde ihm ängstlich, er sprang auf, ging auf und ab. Die Thüre halb offen, da hörte er die Magd singen, erst unverständlich, dann kamen die Worte:

Auf dieser Welt hab‘ ich kein‘ Freud‘,
Ich hab‘ mein Schatz, und der ist weit.

     Das fiel auf ihn, er verging fast unter den Tönen. Madame Oberlin sah ihn an. Er faßte sich ein Herz, er konnte nicht mehr schweigen, er mußte davon sprechen. „Beste Madame Oberlin, können Sie mir nicht sagen, was das Frauenzimmer macht, dessen Schicksal mir so centnerschwer auf dem Herzen liegt?“[1] – „Aber Herr Lenz, ich weiß von nichts“. –

     Er schwieg dann wieder und ging hastig im Zimmer auf und ab; dann fing er wieder an: Sehen Sie, ich will gehen; Gott, Sie sind noch die einzigen Menschen, wo ich‘s aushalten könnte, und doch – doch, ich muß weg, zu ihr – aber ich kann nicht, ich darf nicht. – Er war heftig bewegt und ging hinaus.

     Gegen Abend kam Lenz wieder, es dämmerte in der Stube; er setzte sich neben Madame Oberlin. „Sehn Sie“, fing er wieder an, „wenn sie so durchs Zimmer ging, und so halb für sich allein sang, und jeder Tritt war eine Musik, es war so eine Glückseligkeit in ihr, und das strömte in mich über, ich war immer ruhig, wenn ich sie ansah, oder sie so den Kopf an mich lehnte, und Gott! Gott – ich war schon lange nicht mehr ruhig. … Ganz Kind; es war,

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Georg Büchner: Lenz. Sauerland, Frankfurt am Main 1879, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georg_B%C3%BCchner_-_Franzos-Werkausgabe_226.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2018)
  1. Friederike Biron, die Pfarrerstochter von Sesenheim, Goethes Geliebte.                K.E.F.