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 Über das kirchliche und religiöse Leben in der Gemeinde Sachsen sind uns aus den ersten Jahrzehnten nach der Reformation keine Nachrichten hinterlassen. Es wird auch hier so gewesen sein, daß man sich anfangs voll Eifer zu Predigt und evangelischem Gottesdienst hielt und in allem ein echt evangelisches Wesen und Leben an den Tag legen wollte. Aber mit der Zeit wird der Eifer nachgelassen haben. Das Wort von der „evangelischen Freiheit“ wird man auch hier gern so verstanden haben, daß man nicht nur von den alten Bräuchen und Ordnungen frei sein sollte, sondern überhaupt von aller festen Ordnung, daß man leben dürfte, wie es einem beliebte. Die Freiheit wurde vielfach zur Gleichgültigkeit und nicht selten zur Zügellosigkeit mißbraucht. So verstehen wir es, daß schon 1531 die markgräfliche Regierung ein allgemeines Dekret herausgeben mußte, worin geklagt wurde, daß ein großer Teil der Untertanen die heilsame christliche Lehre nicht zur Besserung des Lebens annehmen wolle; daß sie vielmehr noch die anderen, die einen gottseligen und ehrbaren Wandel führten, verspotteten und schmähten, die Gottesdienste schlecht besuchten, das hl. Abendmahl verachteten, lieber in den Wirtshäusern säßen und spielten, ja mitunter sogar in groben öffentlichen Sünden und Lastern sich erzeigten. Solche Beobachtungen dürfen uns nicht verwundern und es darf darum der Reformation keine Schuld aufgebürdet werden; denn es ist immer so in der Welt, daß jede, auch die beste Bewegung bald mißbraucht und von unlauteren Elementen herabgewürdigt wird.

 Auch später gab es noch allerlei Klagen. Bei einer Kirchenvisitation i. J. 1561 beschwerte sich Pfarrer Kißling darüber, daß er, wenn er an den Sonntag-Nachmittagen den Katechismus Luthers behandle, nicht viel ausrichten könne, weil „das Pfarrvolk nicht fleißig in die Kirche komme“. Weiter behauptete er, daß die Pfarrgemeinde ein „grob Volk sei, das gar nichts verstehe“, eine offenbare Übertreibung, denn die Visitatoren, die hernach eine öffentliche Prüfung in der Kirche abhielten, und zwar nach damaligem Brauch auch mit den Erwachsenen, stellten fest, daß die Gemeinde „nach Gelegenheit der Sachen ziemlich bestanden habe“. – 1566 erging wieder ein markgräfliches Mandat gegen Gotteslästern, Schwören und Fluchen im Lande. Auch später noch folgten ähnliche Erlasse. – Von viel Unmäßigkeit hören wir öfters reden, besonders bei Taufschmäusen und Hochzeitsfesten. Dabei kam es gelegentlich sogar zu bösen Streitigkeiten und blutigen Händeln, wie 1611 bei der Hochzeit des Wirtes Hans Tefferlein in Sachsen, und 1625 bei der Taufe des Christoph Schem. – Ein langes Verzeichnis von Übelständen stellte Pfarrer Löscher am 8. März 1578 auf. Danach gingen die Leute „unfleißig in die Predigt“; die Eltern