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eingehenden Religionsunterricht sich durchgesetzt hatte, war es wirklich nicht mehr notwendig, die Erwachsenen so wie zu Luthers Zeiten zu schulen und sie öffentlich zu prüfen. Es mußte sich eine andere Visitationsweise herausbilden, ähnlich wie sie heutzutage geübt wird. Die „Christenlehren“ erhielten sich allerdings noch weiter, aber in der Hauptsache nun für die Jugend, wenn auch so, daß Erwachsene immer noch mit Gewinn daran teilnehmen konnten. Eine Pflicht zum Besuch der Christenlehre bestand lange Zeit bis zum 18. Lebensjahre und wurde dann der Besuchszeit für die Sonntagsschule und Fortbildungsschule gleichgeschaltet. Neuerdings hat sie wieder eine Änderung erfahren und harrt noch eines ganz neuzeitlichen Ausbaues oder vielleicht auch einer völligen Umgestaltung.

 Schweren Schaden hatte die Zeit der „Aufklärung“ gebracht, die etwa um 1750 einsetzte, in unserem Gebiet sich aber erst gegen das Ende des Jahrhunderts auswirkte. Dem verstandesmäßigen Vernunftglauben dieser Zeit, Rationalismus genannt, war alles Wunderbare, Biblische, Sakramentale, Liturgische, Feierliche und Weihevolle zuwider, und wo er konnte, begann er damit aufzuräumen. Die Liturgie in den Gottesdiensten wurde beseitigt und der Gottesdienst selbst möglichst einfach, nüchtern und verstandesmäßig gestaltet. Die Sakramente, Taufe und Abendmahl, verloren ihre hohe, heilige Würde. Der Inhalt des Christentums wurde auf die drei Worte „Gott, Tugend, Unsterblichkeit“ zurückgeschraubt; Wunder erkannte man nicht an, weil sie angeblich der Vernunft widersprachen; die Person Christi wurde ihres göttlichen Charakters entkleidet, seine Auferstehung geleugnet, usw. Der inneren Leerheit paßte sich auch bald die äußere Leerheit an. Aus den Kirchen entfernte man möglichst allen Schmuck und Zierat, zündete keine Lichter mehr an, ließ die Geistlichen nicht mehr ihre weißen Chorhemden tragen, machte alles recht nüchtern, farblos, kahl und leer. Wir haben es bei dem Umbau der Kirche in Sachsen gesehen, wie da der Rationalismus übel hauste und schonungslos gegen das Alte vorging. Glücklicherweise konnte er sich nicht überall so durchsetzen, wie er wollte, da die Gemeinden weithin ein besseres Verständnis zeigten und mehr inneres Gefühl für das wahrhaft Christliche hatten. Aber gerade Sachsen hatte es unter der Führung des damaligen Pfarrers Brandt spüren müssen. Die preußische Regierung (von 1792 ab) trug eine Hauptschuld an der Verbreitung des Rationalismus.

 Es dauerte geraume Zeit, bis dieser rationalistische Geist von innen heraus überwunden wurde. Erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wehte wieder eine andere Luft und das biblische Christentum blühte wieder auf. Die Liturgie wurde in Bayern 1856 wieder eingeführt. Die Gemeinden hatten sich allerdings in der Zwischenzeit