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Da es eine Fürsorge für arme Leute nicht gab, mußten diese wohl oder übel auf den Bettel gehen und landauf, landab sich ihren Unterhalt zusammensuchen, wobei sie nur zu leicht auf Abwege gerieten und die geordnete Arbeit verlernten. Zum Betteln gesellte sich gern das Stehlen. Man nahm, was man erwischen konnte, bei Tag und erst recht bei Nacht. Waren die Bauern nicht willig genug zum Geben, so drohte man ihnen mit dem „Roten Hahn“, und manches Anwesen ging in Feuer auf. Es war ja auch dem Gesindel nicht sehr schwer gemacht, den Bauern um Haus und Hof zu bringen, denn die Dächer waren noch mit Stroh gedeckt und Feuerwehren waren unbekannt. Nur scharfe Hunde gewährten einigen Schutz. Besonders berüchtigt waren die „gartierenden Landsknechte“, d. h. abgedankte Soldaten, die irgendwo nach Beendigung eines Krieges entlassen worden waren und sich nun, oft in ganzen Haufen, im Lande umhertrieben. In dem Abschnitt von den „Folgen des Dreißigjährigen Krieges“ ist schon darauf hingewiesen worden. Es war aber nicht nur nach diesem Kriege so, sondern auch nach anderen Kriegen, wie nach den wiederholten Türkenkriegen, den Franzosenkriegen usw. So beklagten sich z. B. 1567 die Leute bei den Behörden, daß der Bauer auf dem Strüthof solchen Landsknechten Unterschlupf gewähre, damit sie „die gestohlenen Hennen daselbst fressen und verschlemmen“ könnten. Mehrfach ergingen von den Regierungen scharfe Mandate gegen „gartierende Landsknechte und herrenloses Gesindel“, wie es 1611 heißt; oder gegen „bettelndes und stehlendes Gesindel“ (1692), gegen „Diebe und Gauner“ (1687), gegen „Mordbrenner“ (1689 und 1726), gegen „Handwerksburschen und Landstreicher“ (1720). Öfters erscheinen auch „Zigeuner“, vor denen gewarnt wird, so 1608 in Sachsen und benachbarten Orten, dann wieder 1693, 1718 und in der Folgezeit noch lange fort.

 Wohl griffen die Regierungen oft ein, veranstalteten Streifen durch ihre Schutzwachen und setzten gelegentlich sogar das Militär ein; aber es half das immer nur für kurze Zeit. Auch schärfste Strafen wurden verhängt und Diebe, Mordbrenner und dergleichen Verbrecher wurden ohne weiteres an den Galgen gehängt; aber die Schwierigkeit war eben die, diese Leute zu erwischen und dingfest zu machen. Bei den vielen Kleinstaaten war die Landesgrenze immer ganz nahe und man konnte sich nach begangener Tat leicht ins „Ausland“ flüchten.

 In diesem Zusammenhange müssen auch die Juden genannt werden. Schon vor dem Dreißigjährigen Kriege werden sie als eine schwere Plage vor allem in den Städten bezeichnet, so daß Markgraf Joachim Ernst (1603–1625) sie aus seinem Lande „ausschaffen“ lassen mußte. Ein späterer Markgraf ließ sie aber wieder herein gegen