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anzunehmen, und gerade die Überlassung des Zehnten sollte dazu auch die nötigen Mittel gewähren. Aber es ist schon gesagt worden, wie der Zehnte mehr und mehr der Kirche genommen wurde, wie auch sonst die Einkünfte der Gotteshäuser immer mehr zurückgingen. Sie konnten darum ihrer pflichtmäßigen Armenversorgung nur mehr unvollkommen gerecht werden. Luther hat deshalb darauf gedrungen, daß in jeder Gemeinde ein „gemeiner Kasten“ aufgestellt werde, damit die Besucher des Gottesdienstes ihre Opfer einlegen und so die Kirche ihrer Aufgabe an den Armen nachkommen könnte. Ob damals auch in Sachsen solch ein „Kasten“ oder Opferstock aufgestellt wurde, ist nicht bekannt; wahrscheinlich ist es nicht geschehen, weil hier schon durch die wohlhabende Sebastiansstiftung hinreichende Vorsorge getroffen war. Allerdings verwendete man späterhin nur einen, oft recht bescheidenen Teil der Einkünfte dieser Stiftung zu diesem Hauptzweck, während man den Hauptteil für die Schule und andere Zwecke ausgab. So war doch auch in Sachsen für die Armen wieder schlecht gesorgt.

 Im Jahre 1595 erging ein markgräfliches Mandat auf Grund eines Beschlusses des Reichstags zu Regensburg, wonach in allen Pfarrkirchen „Stöcke, Kasten und Truhen“ aufgestellt werden sollten, um die aus dem Türkenkrieg zurückkehrenden Kranken und Verwundeten zu versorgen. Es ist nicht überliefert, ob der Beschluß auch in Sachsen vollzogen wurde; wenn ja, dann war es nur eine vorübergehende Maßnahme. Eine richtige Armenpflege kam erst 1707 in Gang, als in Sachsen der Klingelsack eingeführt und in jedem Hauptgottesdienst herumgetragen wurde. Er brachte gleich im ersten Jahre 88 fl. ein; und wenn es auch später etwas weniger wurde, so fiel doch immer eine für die damalige Zeit ganz schöne Summe an, die zwischen 47 und 90 fl. schwankte. Das Geld wurde restlos für die Armen verwendet, in erster Linie für solche aus der Pfarrei, dann aber auch für fremde Hilfsbedürftige, soweit sie einer Unterstützung würdig waren, besonders für Heimatlose, Flüchtlinge und dergleichen. Das durch den Klingelsack eingesammelte Geld wurde jedesmal vor den Augen der Gemeinde in den Opferstock geleert, der vermutlich in der Nähe des Altars stand, ähnlich wie der jetzt noch dort befindliche Stock. Von Zeit zu Zeit, zwei bis viermal im Jahre, wurde dann der Opferstock von den zuständigen Persönlichkeiten geöffnet und sein Inhalt in die Kirchenstiftungskasse zur Verrechnung übernommen. In Neukirchen, wo nur einmal an der Kirchweihe Gottesdienst gehalten wurde, verteilte man den Ertrag des Klingelsacks stets sofort an Arme.

 Trotzdem verstummten die Klagen über das Bettlerunwesen nicht. Andere Gemeinden gingen eben nicht in gleicher Weise vor, obwohl die markgräfliche Regierung 1720 anordnete, daß fortan jede