Seite:Georg Rusam - Geschichte der Pfarrei Sachsen.pdf/286

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

eine Kehrichtschaufel gefaßt und samt Besen und Schaufel auf ein Nachbargrundstück geworfen wurde. Man glaubte damit alles Ungeziefer ein Jahr lang aus dem Hause vertrieben zu haben.

 Ein alter Brauch war der Niederfall. Wenn früher nach wochen- und oft monatelangem Dreschen endlich der Dreschflegel zur Ruhe kam, dann mußte die Bäuerin ein festliches Mahl anrichten, damit sich die Leute nach vollbrachter Arbeit gütlich tun konnten. In Ratzenwinden, Oberrammersdorf und anderwärts wurde auch schon bei Beendigung der Ernte, wenn die Schnitter ihre Sichel wieder aufhängen durften, eine solche fröhliche Mahlzeit gehalten. Beides nannte man den „Niederfall“, ein Wort, dessen Erklärung noch nicht feststeht. Die Sitte wurde manchmal auch auf den Abschluß anderer Arbeiten ausgedehnt. Als 1562 Kirche und Turm in Neukirchen wieder hergestellt wurden, hielt man am Ende einen Niederfall, bei dem laut Rechnung reichlich „verzehrt“ wurde. Gleiches wird aus Sachsen 1606 überliefert, wo nach dem Umbau des Turmes eine „Mahlzeit beim Niederfall“ gehalten wurde. Etwas hat sich ja von diesem Brauch bei größeren Bauten bis heute erhalten, wo nach der Aufrichtung des Dachstuhles eine kleine Feier mit dem Zimmermannsspruch stattfindet und eine bescheidene Zehrung gehalten wird; nur ist der Name hierfür verlorengegangen.

 Wenn an Lichtmeß die Dienstboten wechselten, so galt es als feste Ordnung, daß sie bis spätestens 11 Uhr mittags auf der neuen Stelle einzutreffen hatten. Kamen sie erst später, gleichviel ob mit oder ohne ihre Schuld, so glaubte man ehedem, daß sie das Jahr über nicht „aushalten“ würden. Wenn früher ein Stück Vieh gekauft und in den Stall gebracht wurde, so pflegte man Besen und Mistgabel über den Weg zu legen und das Vieh darüber zu führen in dem Glauben, daß es dann im Stall wohl gedeihen werde.

 Von der Unsitte des Wetterläutens ist schon auf S. 195 gehandelt worden, ebenso von der noch gefährlicheren Unsitte, daß der Dachdeckergehilfe nach vollbrachter Arbeit am Turm ein Paar neue Schuhe und Strümpfe erhielt, diese aber auf dem Knopf des Turmes stehend anziehen mußte (S. 197). Beides war ein Spiel mit dem Leben und wurde mit Recht verboten.

 Zu jedem Bauernhofe gehörte einst ein Hofhaus, das für die alten Bauersleute den Wohnsitz bildete, wenn sie den Hof an die jungen Leute übergeben hatten. Dabei behielten sie sich stets ein zureichendes Ausgeding an Naturalien aller Art vor, so daß sie im Hofhause einen selbständigen Haushalt führen konnten. Heute sind die Bauernhäuser meist so geräumig gebaut, daß die alten Leute auch darin wohnen bleiben können. Gern führen sie mit den jungen Leuten den gemeinsamen Haushalt weiter und gehen ihnen bei der Arbeit in