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Grundlagen und Anfänge
kirchlicher Organisation an der mittleren Rezat
Von Kirchenrat Rusam (†).


B. Die Siedlungsgeschichte
1. Einzelhofsiedlung oder Gruppensiedlung?

 Dr. Weigel glaubt bei der Mehrzahl der Niederlassungen um die mittlere Rezat Gruppensiedlung annehmen zu sollen, zum mindesten bei den auf „bach“ und „ach“ auslautenden Ortschaften, die, wenn nicht ausschließlich, so doch weit überwiegend jeweils von einer Gruppe fränkischer Staatskolonisten unter der Leitung des königlichen Fiskus besetzt worden seien. Aber eine genaue Betrachtung der Orts- und Flurpläne ergibt ein anderes Bild. Dabei ist nicht sowohl an die katastermäßig hergestellten Pläne zu denken, die schon um deswillen kein deutliches Bild liefern, weil auf ihnen die Bodenstruktur mit ihren Hebungen und Senkungen, mit dem Wechsel von Berg und Tal, von Wiese und Feld, von Wald und Weide nicht erkennbar ist; die Pläne sind vielmehr aus dem Augenschein zu gewinnen, in dem man aufmerksam und wiederholt durch die Ortschaften hindurchgeht, auch die Feldwege hinauswandert und sich die Flur genau besieht, womöglich zu verschiedenen Jahreszeiten. Auf diese Weise kann allein ein zutreffendes Bild von der Anlage eines Dorfes und von der Beschaffenheit seiner Flur erworben werden. Bei einer solchen praktischen Anschauung wird sich aber in unserer Gegend immer wieder die Beobachtung aufdrängen, daß alle wichtigeren Flurwege bei einem Hof zusammenlaufen, ja daß sie nicht selten sogar in den Hof hineinführen, so daß Nachbarn erst einen kleinen Umweg um den betreffenden Hof machen müssen, um zu ihrem eigenen Anwesen zu gelangen. Als Musterbeispiele seien die Orte Rutzendorf, Oberrammersdorf, Malmersdorf, Rückersdorf, Herpersdorf genannt. Daraus ist klar zu erkennen, daß dort ursprünglich nur ein einziger Hof stand. Der erste Siedler legte naturgemäß alle Feldwege so an, wie er sie brauchte, um aus seinem Hofe zu den einzelnen Flurlagen (Acker, Wiese, Weide, Wald) am besten und bequemsten hinauszugelangen. Diese Wege blieben dann auch weiter bestehen, als ein zweiter Siedler sich an dem Orte anbaute; er richtete sich höchstens, wenn er sich nicht ganz nahe niederließ, eine besondere Zufahrt zu dem alten Wegnetz. Im großen und ganzen erhielt sich aber das ursprüngliche Bild der Flurwege durch all die Jahrhunderte hindurch, mochten sich auch noch so viele Leute an dem Orte niederlassen. Und so dienen uns diese Wege als Urkunde für die Tatsache, daß um die mittlere Rezat einst vor allem und weit überwiegend in der Form des (großen) Einzelhofes gesiedelt wurde. Ist auch der Urhof im Laufe der Zeit geteilt und mitunter ganz aufgelöst worden, so kann ein Ortskundiger trotzdem auch heute noch die Stelle herausfinden, auf der einst der erste Hof errichtet wurde, zumal wenn ihn dabei die manchmal noch vorhandene Überlieferung der Ortsbewohner unterstützt.