Seite:George Sand Indiana.djvu/21

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machen … Ja, daran hatte er gedacht; aber die Liebe verschwand mit den Gefahren des Abenteuers und dem reizenden Zauber des Geheimnisses. Wenn er sie wahrhaft geliebt hätte, so hätte er, selbst wenn er ihr seine Zukunft, seine Familie und seinen Ruf zum Opfer brachte, immer noch glücklich mit ihr sein können. Aber sein Gefühl war erkaltet, sollte er das Mädchen heiraten, um sie bei seiner Familie verhaßt, bei ihresgleichen verächtlich, bei ihren Domestiken lächerlich zu machen, um sie in eine Gesellschaft zu führen, wo sie nicht an ihrem Platze war und den tiefsten Demütigungen ausgesetzt sein würde?

Nein, man wird ihm recht geben müssen, daß das nicht möglich, daß es nicht edel gewesen wäre, daß er einen solchen Kampf gegen die Gesellschaft nicht aufnehmen konnte.

Als Herr von Ramière alles dies erwogen hatte, sah er ein, daß es besser sei, dieses unglückliche Band zu lösen. Seiner Mutter, die nach Paris zurückgekehrt war, um den Winter dort zuzubringen, konnte dieser kleine Skandal nicht lange verborgen bleiben. Schon wunderte sie sich über seine häufigen Reisen nach Cercy, ihrem Landhause, und es fiel ihr auf, daß er ganze Wochen daselbst zubrachte. Unmöglich konnte er eine so gute Mutter noch länger täuschen und seiner Gegenwart berauben. Er verließ Cercy und kam nicht mehr zurück.

Noun weinte, wartete, und wagte endlich, an ihn zu schreiben. Armes Mädchen! Das war der letzte Todesstoß. Der Brief eines Kammermädchens! Die Zeilen diktierte ihr Herz … aber die Ausdrucksweise, die Orthographie! Ach, das arme, halb wild aufgewachsene Kind der Insel Bourbon wußte nicht einmal, daß es Sprachregeln gebe.

Raymon konnte es nicht über sich gewinnen, den Brief bis zu Ende zu lesen. Er warf ihn schnell ins Feuer, um nicht über sich selbst erröten zu müssen.

In der vornehmen Gesellschaft hatte man die Abwesenheit des Herrn von Ramière bemerkt; das will

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George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/21&oldid=- (Version vom 31.7.2018)