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Lange keucht der Zug an Bergrändem empor, immer höher, bis wir endlich im Surampasse anlangen. Wer Augen hat, der schaue jetzt, wer ein Herz hat, der empfinde die Wonne dieser Herrlichkeit, denn ein Paradies ohne Gleichen thut sich hier den Blicken auf!

Entzücken malt sich auf dem Antlitze eines Jeden und in begeisterten Worten äussert sich dasselbe. Fürwahr, herrlich diese Gebirgslandschaft, so herrlich, dass sich ihre Pracht gar nicht beschreiben lässt und mein Nachbar hatte Recht, wenn er sagte, dass man jeden einzelnen Berg und Felsen, jeden Baum und Strauch, jede Blumenflur und Quelle beschreiben müsse, um diese Schönheit annähernd in Worten auszudrücken.

Von Poni ab senkt sich die Bahnlinie wieder und nach einer halbstündigen Fahrt sind wir in der Ebene, wo uns jetzt der Kur, der König der kaukasischen Ströme, begleitet. Seine Wellen sind jedoch trübe und wenn ihn trotzdem georgische Dichter besingen, so thun sie das wohl seiner stellenweise schönen Ufer wegen, aber nicht um seine „klare Flut“ zu verherrlichen. Doch grosse Ströme haben ihren Reiz und ihre Bedeutung im Leben der Menschen, die an ihren Ufern wohnen, und daher empfindet jeder soviel Anhänglichkeit an seinen Heimatsstrom. Die Georgier, denen die Augen funkeln, wenn sie ihre unvergleichlich schönen Berge anschauen, besingen daher auch ihren Kur, obgleich seine Wellen trübe und oft sogar schmutzig sind. Prangen doch an seinen Ufern üppige Fluren und stehen alte Kirchen und Burgen, die soviel aus des Landes Vergangenheit zu erzählen haben!

Der Zug dampft weiter durch die Ebene, die immer noch schön ist, aber schon sinkt der Abend hernieder und er sinkt nicht langsam wie bei uns im Norden, sondern mit Eile; kaum ist die Sonne verschwunden und schon breitet die Nacht ihren Schleier aus.

In der Ferne fahren Blitzstrahlen am Himmel dahin,

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Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/10&oldid=- (Version vom 1.8.2018)