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des Landes, die mir begegnen. In ihren Gesichtszügen liegt Anmut und Milde, aber kein verführerischer Reiz und überhaupt nichts, das an eine Medea erinnerte.

In Samtredi betreten wir Imeretien, das eigentliche Herz Georgiens. Von der Südseite haben wir immer noch die grünen, schönen Berge des kleinen Kaukasus, während sich im Norden eine lachende Ebene aufthut, an deren Endsaume sich von neuem bewaldete Berge erheben. Nicht weit vom Schienenwege rauscht der Rion dahin, ein schöner reissender Strom, dessen Ufer grüne Fluren und Weidenhaine schmücken.

Imeretien ist dichter bevölkert als Gurien und Mingrelien und oft tauchen jetzt in der Nähe und Ferne Dörfer auf, zwischen welchen sich Gärten, Äcker und Wiesen hinziehen. Ausser bedeutenden Maispflanzungen, sieht man auch Getreidefelder, die dem Landschaftsbilde einen heiteren Anflug von Kultur verleihen und auf die Nähe von Menschen hindeuten, deren Spuren wir so lange in Guriens Urwäldern vermisst haben. Auf üppigen Weideplätzen tummeln sich grosse Herden von Schafen und Büffeln und dann und wann begegnen wir pflügenden Landleuten oder dicht am Schienendamme ruhenden Hirten, die so das ländliche Lebensbild vervollständigen.

Immer schöner, malerischer und verschiedenartiger wird die Landschaft, und ohne Übertreibung darf man diese Eisenbahnlinie zu den reizvollsten in ganz Europa rechnen, wenn sie nicht etwa gar alle andern an Naturschönheiten übertrifft. Schwerlich findet man wo anders so herrlich grüne Berge und so malerische Thäler wie hier.

Auf jeder Station vergrössert unsere Reisegesellschaft und zwar sind es meist Georgier und Georgierinnen, die sich uns zur Weiterfahrt anschliessen. Auf den Bahnhöfen bieten uns Bauernknaben Kirschen, Erdbeeren und Rosen zum Kaufe an, in den Wartesälen wimmelt es von malerischen Gestalten, es blinken silberne Säbelscheiden

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Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/8&oldid=- (Version vom 31.7.2018)