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Wiese stellen und sie würden dann, jeder von einem anderen Ende derselben, zu gleicher Zeit auf ihn loslaufen. Hernach möge demjenigen, der zuerst bei ihm ankomme, der bessere Theil der Wiese gehören und den später ankommenden könne er fressen. Der Wolf war damit einverstanden und glaubte seine Mahlzeit sei gesichert. Die Ziegenböcke gingen hierauf auf ihre Plätze und rannten dann in mächtigen Sprüngen auf den Wolf los. Sie kamen jedoch zugleich bei ihm an und stiessen von beiden Seiten so heftig auf ihn ein, daß er vor Schmerz laut heulte und sie bat, sie möchten nur aufhören zu stossen, er wolle ihnen gerne das Leben schenken. Die Ziegenböcke hörten wohl auf zu stossen, aber bis sich der Wolf wieder erholte waren sie längst verschwunden.

Nun bereute der Wolf seine Ungenügsamkeit und zog von Hunger gequält wieder weiter. Nachdem er einige Zeit gewandert war, sah er eine Stute mit einem Füllen auf der Weide. Da dachte er, jetzt bekomme ich endlich doch eine gute Mahlzeit, gieng sogleich auf die Stute los, erzählte ihr seinen Traum und sagte zugleich, daß sie ihm das Füllen zum Fressen überlassen müsse. Die Stute sagte darauf, er könne das Füllen haben, allein sie mache die Bedingung, daß er ihr früher aus dem Hinterfusse einen Dorn herausziehe, den sie sich eingetreten habe, als sie über einen Zaun gesprungen sei. Als jedoch der Wolf den Fuß der Stute untersuchen wollte, schlug diese mit beiden Hinterfüssen so stark gegen ihn aus, daß er ein gutes Stück weg flog und ganz betäubt liegen blieb. Die Stute aber sprang mit dem Füllen eiligst davon.

Nachdem der Wolf wieder zur Besinnung gekommen war, schleppte er sich nur langsam weiter und kam so zu einer Mühle, bei der er eine Sau mit zwölf Jungen bemerkte. Er gieng ganz traurig zu ihr hin, erzählte auch ihr seinen Traum und bat sie nur um ein Ferkel, um seinen Hunger zu stillen. Die Sau sagte, er könne eines von ihren Jungen haben, nur müsse er ihr dieselben zuvor baden helfen, sie seien dann besser zum fressen. Dem Wolf war dies recht und er stellte sich hiezu auf die Wasserrinne des Mühlbachs. Statt ihm aber nun ein Ferkel zu reichen, gab ihm die Sau einen Stoß und er fiel in die Rinne. Da riß ihn das Wasser fort über das Mühlrad hinunter und er hatte Mühe, daß er nicht ertrank.

Darauf gieng er ganz matt den Bach entlang und traf da einen Mann beim Fischen. Den bat er nur um ein Fischl, weil er so Hunger habe. Der Mann aber sagte, er solle ihm zuerst beim Fischfangen helfen. Da stieg der Wolf in das Wasser, wo ihm der Mann einen

Empfohlene Zitierweise:
Karl Bartsch (Hrsg.): Germania, 24. Band. Carl Gerold’s Sohn, Wien 1879, Seite 413. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Germania_24_1879.pdf/422&oldid=- (Version vom 1.8.2018)