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und hier fielen dem jungen Fremden gleich die alterthümlichen Steine und Denkmale auf, so einfach sie auch im Ganzen waren.

„Das ist ein alter, alter Stein,“ sagte er, als er sich zu dem nächsten niederbog und mit Mühe die Schnörkelschrift desselben entziffert hatte: „Anna Maria Berthold geborene Sieglitz geboren am 1. Dec. 1188 – gestorben den 2. Dec. 1224 –“

„Das ist meine Mutter,“ sagte Gertrud ernst, und ein paar große helle Thränen drängten sich in ihr Auge und fielen langsam auf ihr Mieder nieder.

„Deine Mutter, mein gutes Kind?“ sagte Arnold erstaunt, „Deine Ur-Ur-Eltermutter, ja, die könnte es gewesen sein.“

„Nein,“ sagte Gertrud, „meine rechte Mutter – der Vater hat nachher wieder gefreit, und die zu Haus ist meine Stiefmutter.“

„Aber steht da nicht gestorben 1224?“

„Was kümmert mich das Jahr,“ sagte Gertrud traurig, – „es thut gar weh, wenn man so von der Mutter getrennt wird, und doch“ – setzte sie leise und recht schmerzlich hinzu – „war es vielleicht gut – recht gut, daß sie vorher zu Gott eingehen durfte.“

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Friedrich Gerstäcker: Germelshausen. Arnoldische Buchhandlung, Leipzig 1862, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Germelshausen-Gerstaecker-1862.djvu/29&oldid=- (Version vom 31.7.2018)