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Compositionen v. J. C. Keßler[H 1]

Es ist unstatthaft, ein ganzes Leben nach einer einzelnen That messen zu wollen, da der Augenblick, der ein System umzustoßen droht, oft im Ganzen erklärt und entschuldigt liegen kann. Zerschneidet eine Beethoven’sche Symphonie, die ihr nicht kennt, und seht zu, ob ein schönster herausgerissener Gedanke an sich etwas wirkt. Mehr als in den Werken der bildenden Künste, wo der einzelne Torso einen Meister beweisen kann, ist in der Musik alles der Zusammenhang, das Ganze — im Kleinen wie im Großen, im einzelnen Kunstwerk wie in einem ganzen Künstlerleben. Man hört oft — so falsch und unmöglich es ist — Mozart hätte den einzigen Don Juan[H 2] zu schreiben brauchen, und er wäre der große Mozart. Allerdings bliebe er der Componist des Don Juan, wäre aber noch lange kein Mozart. –

Mit einiger Scheu spreche ich mich daher über Werke aus, deren Vorläufer mir unbekannt sind. Ich möchte gern etwas wissen von der Schule des Componisten, seinen Jugendansichten, Vorbildern, ja selbst von seinem Treiben, seinen Lebensverhältnissen — mit einem Wort vom ganzen Menschen und Künstler, wie

Anmerkungen (H)

  1. [WS] Joseph Christoph Keßler (ursprünglich Kötzler), 26. August 1800 in Augsburg geboren, 14. Januar 1872 in Wien gestorben, Pianist und Klavierlehrer, Komponist. Lebte in Warschau, Breslau und Lemberg, seit 1855 in Wien. Siehe: Franz Pyllemann, Mittheilungen über J. C. Kessler, in: Allgemeine musikalische Zeitung, 1872 Nr.12, Sp. 185-190 Internet Archive und Riemann Musiklexikon, 11. Auflage 1929, S. 876 Internet Archive
  2. [WS] Don Giovanni (1787) oder richtiger: Il dissoluto punito ossia il Don Giovanni („Der bestrafte Wüstling oder Don Giovanni“) KV 527 ist ein Dramma giocoso in zwei Akten von Wolfgang Amadeus Mozart.