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gewachsen. Trotzdem blieb er in seinen Instrumentalsachen ziemlich der nämliche: die dritte Symphonie unterscheidet sich nur äußerlich von der ersten. Er fühlte, daß er einen neuen Schritt wagen mußte. Vielleicht durch die 9te Beethoven’sche Symphonie,[H 1] deren erster Satz vielleicht denselben poetischen Grundgedanken enthält als der erste der Spohr’schen, aufmerksam gemacht, flüchtete er sich zur Poesie. Aber wie sonderbar wählte er, aber auch wie seiner Natur, seinem Wesen getreu! Er griff nicht nach Shakespeare, Goethe oder Schiller, sondern nach einem fast Formenloseren, als die Musik selbst ist (wenn dies nicht zu kühn gesagt ist), nach einem Lob auf die Tonkunst, nach einem Gedicht, das ihre Wirkungen schildert, beschrieb also in Tönen die Töne, die der Dichter beschrieb, lobte die Musik mit Musik. Als Beethoven seinen Gedanken zur Pastoral-Symphonie faßte und ausführte, so war es nicht der einzelne kurze Tag des Frühlings, der ihn zu einem Freudenruf begeisterte, sondern das dunkle zusammenlaufende Gemisch von hohen Liedern über uns (wie Heine, glaube ich, irgendwo sagt),[H 2] die ganze unendlichstimmige Schöpfung regte sich um ihn. Der Dichter der „Weihe der Töne“ fing diese nun in einem schon ziemlich matten Spiegel auf und Spohr warf das Abgespiegelte noch einmal zurück.

Welchen Rang aber die Symphonie als musikalisches Kunstwerk an sich unter den neusten Erzeugnissen behauptet, darüber steht nicht mir, der ich mit Verehrung

Anmerkungen (H)

  1. [WS] 9. Sinfonie d-Moll op. 125 (1815–1824).
  2. [WS] nicht Heine, sondern Jean Paul, in der Konjekturalbiographie (1798), Vierte poetische Epistel.