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Der Psychometer.


Den Wenigsten der Leser dürfe der Portius’sche Psychometer[1] etwas unbekanntes sein, obwohl ein Räthsel.[H 2] Man soll nur in ihm keinen elenden Temperamentfisch suchen, der sich sehr zusammenkrümmte bei Sanguinischen, sondern, wie der Erfinder will, eine ordentlich aus wissenschaftlichem Weg gesundene Maschine, welche Naturell, Charakter des Experimentirten ohne tausend Worte und in den feinsten Schattirungen anzeigt, d. h. eine, die, nähme solche die Welt als stimmfähig an, eben so bald von der Menschheit zertrümmert würde, wie sie selbst in mancher Beziehung zertrümmerte. Denn der Mensch will gar nicht wissen, was alles Herrliches an und in ihm ist.

Erstaunt, verdutzt ging ich vom Seelenmesser fort, die Treppe herunter, manches erwägend. Er hat das Gute, daß man einmal eine Stunde über sich nachdenkt. Unter den vielen traurigen Wahrheiten, die mir gesagt wurden, war ich aus einige offenbare Schmeicheleien

  1. Er war eine noch nicht erklärte Erfindung eines M. Portius, die damals in Leipzig viel von sich sprechen machte.[H 1]

Anmerkungen (H)

  1. [WS] Magister Portius, *3. Mai 1797 in Weißbach bei Zschopau, †4. April 1862 in Leipzig; ab 1817 Lehrer an der Ratsfreischule in Leipzig.
  2. [GJ] Schumann schrieb seiner Mutter über den Psychometer, den er am 8. April 1833 besucht: „Das Ganze ist eine bis jetzt unerklärbare, jedenfalls auf einer magnetischen Wechselwirkung der Metalle mit den physischen Kräften beruhende Erfindung des hiesigen Magisters Portius, aber so interessant in Bestimmtheit und Feinheit der Charakterunterscheidungen, daß ich eher verdutzt als befriedigt fortging. Nachdem man mit der Maschine in magnetischen Rapport gebracht worden ist, erhält man den Eisenstab, den der Magnet anzieht, wenn man diese oder jene Eigenschaft, Temperament, Charakterzug u. s. w. besitzt, aber abstößt im entgegengesetzten Falle. Wirklich war ich’s leibhaft, wenn ich auch mancher der angezogenen guten Eigenschaften nicht ganz traue.“ — Ein Artikel im Leipziger Tageblatt (30. Mai 1833) versucht eine Erklärung des Psychometers, der auf den Magnetismus und die Wirkungen der Elektricität gegründet sei. „Alle Eigenschaften“ (schreibt der Berichterstatter) „die wir zu haben oder nicht zu haben glaubten, ja selbst solche, durch die wir uns von Anderen unterschieden, wurden uns von der Maschine richtig angedeutet; als Beweis aber, daß sie keineswegs schmeichle, diente uns der Umstand, daß sie uns eine kleine Untugend verrieth, die wir vorher noch nicht bemerkt hatten und doch bei genauerem Nachdenken fanden.“ Eiteln und Eingebildeten wird widerrathen, die Maschine zu probiren, damit sie nicht enttäuscht würden. Der Erfinder habe mit vielfachen Vorurtheilen zu kämpfen, sein Psychometer aber verdiene die volle Aufmerksamkeit jedes denkenden Mannes und könne die Veranlassung werden, „über höchst bedeutsame, vielleicht noch in tiefes Dunkel gehüllte, geheime Naturkräfte nähere Aufschlüsse zu erlangen.“ – Im folgenden Jahre wiederholte der Erfinder seine „physikalisch-psychologischen Experimente“, über die das Tageblatt (12. April 1834) abermals berichtete. Schumann hatte ein ungewöhnliches Interesse für den Gegenstand. Ich halte es sogar für nicht unmöglich, daß die beiden Tageblatt-Artikel von ihm sind. – Es überrascht nicht, daß Schumann 1853 auch zu den eifrigsten Anhängern des Tischrückens und Tischklopfens gehörte. I. 322–23.