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lang forschte ich kreuz und quer — ich fand kein „J. S. Bach“[H 1]… und als ich den Todtengräber darum fragte, schüttelte er über die Obscurität des Mannes den Kopf und meinte: „Bach’s gäb’s viele.“ Auf dem Heimweg nun sagte ich zu mir: wie dichterisch waltet hier der Zufall! Damit wir des vergänglichen Staubes nicht denken sollen, damit kein Bild des gemeinen Todes aufkomme, hat er die Asche nach allen Gegenden verweht und so will ich mir ihn denn auch immer aufrecht an seiner Orgel sitzend denken im vornehmsten Staat und unter ihm brauset das Werk und die Gemeinde sieht andächtig hinauf und vielleicht auch die Engel herunter. – – Da spieltest du, Felix Meritis,[H 2] Mensch von gleich hoher Stirn wie Brust, kurz darauf einen seiner variirten Choräle vor: der Text hieß „schmücke dich, o liebe Seele“,[H 3] um den Cantus firmus hingen vergoldete Blättergewinde und eine Seligkeit war darein gegossen, daß du mir selbst gestandest: „wenn das Leben dir Hoffnung und Glauben genommen, so würde dir dieser einzige Choral Alles von Neuem bringen.“ Ich schwieg dazu und ging wiederum, beinahe mechanisch, auf den Gottesacker und da fühlte ich einen stechenden Schmerz, daß ich keine Blume auf seine Urne legen konnte, und die Leipziger von 1750 fielen in meiner Achtung. Erlaßt es mir, über ein Denkmal für Beethoven meine Wünsche auszusprechen.

Jonathan.


Anmerkungen (H)

  1. [WS] Bach wurde drei Tage nach seinem Tod anonym auf dem Spitalfriedhof der Johanniskirche in Leipzig begraben, nach zweimaliger Umbettung befindet sich sein Grab heute in der Leipziger Thomaskirche.
  2. [WS] Felix Mendelssohn Bartholdy.
  3. [WS] Vorlage: „schmücke dich, o meine Seele“, gemeint ist Johann Sebastian Bachs Choralbearbeitung Schmücke dich, o liebe Seele BWV654.