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dabei dächte, es könne noch anders und noch besser gemacht sein. Dem Componisten gegenüber wollten wir, was durch Aufzeichnung zu weitschweifig würde, Alles gern nachweisen;[H 1] glaube er nur, daß, wo die Phantasie nicht ausreicht, der Verstand noch Erstaunliches zu Wege bringen kann. – Sollte aber das Schwierige jener Forderungen den Componisten einschüchtern, so geben wir ihm einen andern, scheinbar fast entgegengesetzten Rath, den, sich nicht zum Schaffen anzustrengen, nicht täglich zu componiren, sondern durch Ruhe die Kräfte zu sammeln, das Bedürfniß, sich mitzutheilen, zu steigern und dann ohne Zögern sich seinem guten Geiste hinzugeben. Leider treffen wir nur auf zu viele junge Componisten, die, wenn man sie nach ihren Werken frägt, wie Leporellos ganze Rollen von Geliebten-Namen[H 2] abwickeln, mit einigen Symphonieen anfangen, und ein Dutzend Kleinigkeiten verächtlich anhängen. Schüttelt man über die Fruchtbarkeit den Kopf und bemerkt ihnen, wie solches zuletzt bankerott machen werde, so bekömmt man zur Antwort: „daß man sich heut zu Tage in allen Genren versuchen müsse“ u.dgl. – oder am häufigsten gar keine. Verzichte aber unser Componist auf diesen Ruhm der Productivität und gebe er, da er die Kräfte dazu besitzt, statt mehrerer matten, ein gesundes, wohlgerathenes Werk. –




Anmerkungen (H)

  1. [GJ] Am Schluß der Recension (der hier fehlt) sind allerlei verfehlte Einzelheiten nachgewiesen worden.
  2. [WS] Ein Leporello ist zunächst ein zum Heft gefalteter langer Papierstreifen und darüberhinaus der Name des Dieners von Don Giovanni in Wolfgang Amadeus Moarts gleichnamiger Oper, der in einer Arie eine Liste mit Don Giovannis mehrtausenden Liebschaften entrollt und singend erörtert.