wir jedes Talent, selbst wenn es auf eine Zeit lang seine edlere Abstammung verleugnet, so gern zu fördern gewohnt sind.
Ueber Herz läßt sich 1) traurig, 2) lustig, 3) ironisch schreiben, oder alles auf einmal wie diesmal. Man kann kaum glauben, wie vorsichtig und scheu ich jedem Gespräche über Herz ausweiche und ihn selbst mir immer zehn Schritte vom Leibe halten würde, um ihn nicht zu stark ins Gesicht loben zu dürfen. Denn hat es, vielleicht Saphir[H 2] ausgenommen, irgend Jemand aufrichtig mit den Menschen und sich gemeint, so ist es Henri Herz, unser Landsmann. Was will er denn, als amusiren und nebenbei reich werden? Zwingt er deshalb Jemanden, Beethovens letzte Quartette weniger zu lieben und zu loben? Fordert er zu Parallelen mit diesen auf? Ist er nicht vielmehr der lustigste Elegant, der Niemandem einen Finger krümmt als zum Spielen und höchstens seine eignen, um Geld und Ruhm festzuhalten? Und ist sie nicht lächerlich, die lächerliche Wuth classischer Philister, die mit glotzenden Augen und vorgehaltenem Spieße schon zehn Jahre lang gerüstet dastehn und sich entschuldigen, daß er ihren Kindern und Kindeskindern nicht zu nahe kommen möchte mit seiner unclassischen Musik, während jene insgeheim sich doch daran ergötzen?
Anmerkungen (H)
- ↑ [WS] Klavierkonzert Nr.2 c-moll op.74 (1830). Das Klaviersolo bei IMSLP.
- ↑ [WS] Moritz Gottlieb Saphir (1795–1858), österreichischer Satiriker.
Robert Schumann: Gesammelte Schriften über Musik und Musiker. Georg Wigand’s Verlag, Leipzig 1854, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gesammelte_Schriften_%C3%BCber_Musik_und_Musiker_Bd.1_(1854).pdf/279&oldid=- (Version vom 31.7.2018)