Seite:Gesammelte Schriften über Musik und Musiker Bd.1 (1854).pdf/302

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Kunst, im Bewußtsein seiner Kraft vollauf gerüstet mit Muth, als im Jahre 1830 die große Völkerstimme im Westen sich erhob. Hunderte von Jünglingen warteten des Augenblicks: aber Chopin war der Ersten Einer auf dem Wall oben, hinter dem eine feige Restauration, ein zwergiges Philisterium im Schlafe lag. Wie fielen da die Schläge rechts und links und die Philister wachten erbost auf und schrieen: „seht die Frechen;“ Andere aber im Rücken der Angreifenden: „des herrlichen Muthes!“

Dazu aber und zum günstigen Aufeinandertreffen der Zeit und der Verhältnisse that das Schicksal noch etwas, Chopin vor allen andern kenntlich und interessant zu machen, eine starke originelle Nationalität und zwar die polnische. Und wie diese jetzt in schwarzen Trauergewändern geht, so ergreift sie uns am sinnenden Künstler noch heftiger. Heil ihm, daß ihm das neutrale Deutschland nicht im ersten Augenblick zu beifällig zusprach und daß ihn sein Genius gleich nach einer der Welthauptstädte entführte, wo er frei dichten und zürnen konnte. Denn wüßte der gewaltige selbstherrschende Monarch im Norden, wie in Chopins Werken, in den einfachen Weisen seiner Mazurkas, ihm ein gefährlicher Feind droht, er würde die Musik verbieten. Chopins Werke sind unter Blumen eingesenkte Kanonen.

In dieser seiner Herkunft, im Schicksale seines Landes, ruht so die Erklärung seiner Vorzüge, wie auch die seiner Fehler. Wenn von Schwärmerei, Grazie, wenn von Geistesgegenwart, Gluth und Adel die Rede ist,