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gibt? Könnte man nicht zu gleicher Zeit auch Ehrenmitglieder (die correspondirenden verstehen sich ohnehin) ernennen lassen und würde nicht unser trefflicher Bürgermeister Kaulfuß geneigt sein, das Protectorat dieses Vereins zu übernehmen?”

Mit Lippe’n stand es aber folgendermaßen, schlecht nämlich. Er hatte viel Schulden und wenig Kunden; er musicirte, wie er frisirte, im höchsten Grad oberflächlich, obgleich das erstere mit mehr Fleiß, das zweite mit mehr Talent; er hat Zeit seines Lebens immer zwischen Ton- und Haarkünstler geschwankt. Mit aller Kraft klammerte er sich nun an die Musik, da sich die Kyritzer Haarköpfe und Perücken seinen haarkünstlerischen Händen entzogen; ja er versicherte, den schönsten Tituskopf[H 1] vernachläßige er über die Mozart’sche Titusmusik.[H 2] Sah man ihn aber je auf den Gassen fliegen, daß die Gänseheerden in die Höhe flogen, so geschah es den Tag nach der Anzeige im Wochenblatt. Von Haus zu Haus rannte er, die Statuten des Communalvereins in der Tasche und drohte mit Ehrenmitgliedschaft; ja selbst du, würdigster Kaulfuß, schwanktest einen Augenblick und gabst schmunzelnd nach und Lippe’n die Perücke überdies zum Frisiren hin; mit ihm noch andre Perücken.[H 3] Schon jubelte Lippe; ja, er hetzte, was er konnte, Fresser’s und Kniff’s Parteien noch wüthender auf einander, vom Kampf für sich Gewinn zu ziehen. Ueber Kyritz lag es schwer wie Gewitterwolken; alles pfiff und blies und strich wie wahnsinnig durcheinander. Mitten im Aufruhr

Anmerkungen (H)

  1. [WS] Tituskopf, eine weibliche Haartrachtmode der Zeit.
  2. [WS] La clemenza di Tito (KV 621), eine Oper von Wolfgang Amadeus Mozart, 1791 uraufgeführt.
  3. [WS] Perücken: Schumanns Sinnbild für die „Philister“ und ihre rückständig, verstaubte Musikauffassung.