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(obgleich dies am wenigsten), so tiefsinnig wie Beethoven (aber dies am meisten), schreiben, sondern wo möglich das Hohe dieser und noch Andrer vereinen, daß es gar kein Wunder ist, wenn gar manches mißlingt. Solchem ungenügsamen Sinne folgt aber der Mißmuth auf dem Fuß, wenn sich, wie im Schiller’schen Berg-Alten, die Riesengestalt herüberdehnt, die uns zuruft: „Weiter darfst du nicht, Freund, das ist meine Region.“[H 1] Darin liegt der Grund zu einer Bemerkung, die sich in jeder Etude aufdrängt. Es ist das plötzliche Stocken, Zurücksinken mitten im Aufflug. Er nimmt den Anlauf wie ein Siegesroß und fällt kurz vor dem Ziel nieder; denn dieses steht fest und kommt uns nicht entgegen: ja, es scheint sogar zurückzufliehen, je mehr man sich ihm nähert. – Darum geht auch ziemlich allen Etuden das goldne Wohlgefühl ab, das Vorahnen des Sieges, welches man starken Geistern schon beim ersten Wort anmerkt.

Sehe ich hier vielleicht zu viel oder irre ich mich, so glaube ich wenigstens die Vorzüge, die dagegen in die Wagschale zu legen, mit Sicherheit angeben zu können.

Sie sind: Phantasie und Leidenschaft (nicht Schwärmerei und Begeisterung, wie etwa bei Chopin), beide in ein romantisches Clairobscure[H 2] eingehüllt, das sich vielleicht später zur Verklärung erheben wird; denn er hüte sich vor dem nächsten Schritt, über den hinaus Gnomen und Kobolde zu wirthschaften anfangen und denke an die Ouverturen zum Sommernachtstraum[H 3] und zu den

Anmerkungen (H)

  1. [WS] Friedrich Schiller Der Alpenjäger (1804).
  2. [WS] Chiaroscuro oder Clair-obscure, eine „helldunkel“ Technik der Graphik und Malerei seit der Renaissance.
  3. [WS] Felix Mendelssohn-Bartholdy, Ouvertüre Ein Sommernachtstraum op. 21 (1826).