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In jener Weise gefällt sich namentlich auch Thalberg. Bei einem Virtuosen, der so außerordentliche Wirkung durch seine Behandlung des Instruments hervorbringen soll, muß es auffallen, daß man in sechs ganzen Etuden eigentlich auf nichts Neues trifft. Die erste der Etuden ist eine Trillerübung, die zweite gehört der eben beschriebenen Gattung an, die dritte will in einer schweren Figur- und Tonart üben, die vierte bezweckt schnelles Anschlagen der Accorde, die fünfte gehört ebenfalls zu den Harpeggienetuden, in der letzten endlich unterstützt die rechte Hand ihre Melodie auf eine gewöhnliche Weise, wozu die linke die Bässe angibt. Wirken die Etuden also, vom Componisten gespielt, originell und überraschend, so liegt es an seiner Vortragsweise, Bravour, an Raschheit des Tempo’s (das der Metronomangabe nach oft unausführbar scheint), u. dgl.; die Composition an sich zeigt davon nichts. Was dagegen bei sämmtlichen Etuden angenehm auffällt, ist daß sie gar nicht so übertriebene Schwierigkeiten bringen, wie Mancher an Sprüngen, Spannungen etc. erwartet haben mag, ja daß die meisten im Verhältniß zum Beifall, der ihrer Bewältigung folgen wird, geradezu leicht genannt werden müssen. Denn dankbar, einschmeichelnd, gut in die Finger und Ohren fallend sind sie alle; Thalberg, der immer mehr das Publicum als den Künstler vor den Augen hat, kann überhaupt nicht anders mehr schreiben. Daß mit solchem Ausspruch nicht etwa behauptet wird, man solle für Künstler unbequem und