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mit der Gluck’s, wie denn auch die Widersprüche der Zeiten einige Aehnlichkeiten aufzeigen könnten, und, wenn man dem einfach grandiosen Styl Gluck’s den kühn labyrinthischen Sebastian Bach’s entgegen stellte, man im engen Bezirk der Claviermusik die klare Weise Henselt’s der verschleierten Chopin’s gegenübersetzen müßte. Damit sei nun aber nicht ausgesprochen, Gluck habe die Musik höher gebracht, oder Henselt ließe Chopin hinter sich zurück. Da müßte Henselt die Brust verläugnen, an der er selbst getrunken, da müßte man Chopin nicht kennen in seiner um so viel zärteren Schwärmerei, seiner götterleichten Beweglichkeit, seiner ganzen unendlich feineren Organisation. Ja, viele der Henselt’schen Etuden würden ohne den Vorgang Chopin’s gar nicht da sein. Dies beiläufig, um einer Undankbarkeit zu begegnen.

Henselt’s reizende Melodieen werden’s aber nun vollends durch das heimliche Figurenwerk, in das er jene versteckt; reiche Früchte aus grüner Zweig- und Blätterfülle herausquellend. Und hier müssen wir uns namentlich seines sorgsamen Fleißes erfreuen, mit dem er (aber nicht in melodischem Betracht, sondern im ausfüllenden harmonischen) die Bässe und Mittelstimmen behandelt, die Gewissenhaftigkeit, mit der er Alles anordnet, daß sich das Ganze vortheilhaft ausnehme und dabei das Einzelne sich fein und gehörig unterscheide. Namentlich ist ihm eine Figur eigen, deren erste Wurzel ich in der in diesem Hefte leider nicht enthaltenen Etude in H dur[H 1]

Anmerkungen (H)

  1. [GJ] II. 505–506, Anmerkung 16:

    Henselts Poëme d’amour (W. 3), worin die auf diese Figur gebaute Etüde enthalten ist, erschien in Schlesingers Album du Pianiste von 1838. In Schumanns Besprechung (1838, VIII, 70) heißt es: „Was dem Album die meisten Käufer verschaffen wird, ist wohl namentlich das durch Clara Wieck verherrlichte Andante mit Etüde in H dur von Adolph Henselt. Dem Andante wüßte ich nichts als eines jener schönsten Sonette von Petrarca, das mit den Worten „benedetto sia’l giorno.“ anfängt, an die Seite zu setzen; es sucht seines Gleichen. Die Etüde, zu anderer Stunde erfunden und in keiner tieferen Beziehung zum Andante gedacht, bringt es aber beim Zuhörer aus dem Herzen in die Hände, und ihre Wirkung ist wie bekannt die allgemeinste, daß Alles durcheinander spricht vor Freude. Der Componist [506] war lange im Zweifel, ob er die Melodie der Etüde, vor jener großwogigen Begleitung, nicht erst in einfacherer vorführen sollte, wovon ich ihm bescheidentlich abrieth, aus mehreren Gründen, von denen der eine, daß die Etüde dann eine mehr variationsähnliche Wirkung hervorbrächte, ihm am meisten zu gefallen schien. Leider muß man das Stück jetzt in allen möglichen Gesellschaften zu hören bekommen, wie denn neulich ein armes Fräulein an ihm wie an einem schweren eisernen Kasten schob, der nicht von der Stelle wollte.“ Commons