Seite:Gesammelte Schriften über Musik und Musiker Bd.3 (1854).pdf/162

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Kind und Knabe schon bewundert, zeigt er sich auch in seinen älteren Compositionen oft sehnsuchtsvoller, wie nach seiner deutschen Heimath verlangend, oder frivoler vom leichten französischen Wesen überschäumt. Zu anhaltenden Studien in der Composition scheint er keine Ruhe, vielleicht auch keinen ihm gewachsenen Meister gefunden zu haben; desto mehr studirte er als Virtuos, wie denn lebhafte musikalische Naturen den schnellberedten Ton dem trocknen Arbeiten auf dem Papier vorziehen. Brachte er es nun als Spieler auf eine erstaunliche Höhe, so war doch der Componist zurückgeblieben, und hier wird immer ein Mißverhältniß entstehen, was sich auffallend auch bis in seine letzten Werke fortgerächt hat. Andere Erscheinungen stachelten den jungen Künstler noch auf andere Weise. Außerdem daß er von den Ideen der Romantik der französischen Literatur, unter deren Koryphäen er lebte, in die Musik übertragen wollte, ward er durch den plötzlich kommenden Paganini gereizt, auf seinem Instrumente noch weiter zu gehen und das Aeußerste zu versuchen. So sehen wir ihn (z. B. in seinen Apparitions) in den trübsten Phantasieen herumgrübeln und bis zur Blasirtheit indifferent, während er sich andererseits wieder in den ausgelassensten Virtuosenkünsten erging, spottend und bis zur halben Tollheit verwegen. Der Anblick Chopin’s, scheint es, brachte ihn zuerst wieder zur Besinnung. Chopin hat doch Formen; unter den wunderlichen Gebilden seiner Musik zieht sich doch immer der rosige Faden einer Melodie