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13. Septbr. – Gestern war Chopin hier und spielte eine halbe Stunde auf meinem Flügel – Phantasie und neue Etuden von sich – interessanter Mensch, noch interessanteres Spiel – es griff mich seltsam an. Die Ueberreizung seiner phantastischen Art und Weise theilt sich dem Scharfhörenden mit: ich hielt ordentlich den Athem an mich. Bewundernswürdig ist die Leichtigkeit, mit der diese sammtenen Finger über die Tasten gleiten, fliehen möcht’ ich sagen. Er hat mich entzückt, ich kann es nicht läugnen, auf eine Weise, die mir bis jetzt noch fremd war. Was mich freute, war seine kindliche, natürliche Art, die er im Benehmen, wie im Spiele zeigte. –

10. Oct. – Sonderbar, wie mancher Hang, der sich schon in der Kindheit offenbart, bis in späte Jahre an uns haften bleibt, so auch das Gegentheil – jegliches Widerstreben. – Von jeher fühlte ich Abneigung gegen alle Seiltänzergeschichten, Bereiterkünste u. dergl. – so hat sich diese Ansicht ganz unbewußt in die Kunst hinübergeschlichen, und wenn ich auch für den Augenblick mich zum Staunen hinreißen lasse, so kehrt bald mein angeborner Widerwille zurück. – Nur keine Seiltänzereien in der Musik – wie wird dies Heiligthum dadurch profanirt. – Künstelei ist ja keine Kunst – wie oft wird das heut zu Tage verwechselt. Alles muß die Natur zur Grundlage haben: wenn auch die jüngere, weiter strebende Schwester, die Kunst, höher hinauf in geistige Sphäre treibt, die Grundlage hat sie doch von der älteren